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46. JAHRGANG
 
14. Dez. 2013


INFORMATIONSDIENST DER ARBEITSGEMEINSCHAFT VON PRIESTER- UND SOLIDARITÄTSGRUPPEN IN DEUTSCHLAND (AGP) 2013 / 8

Müller blufft

In ihrer Erklärung „Bekehrung und Reform“ der AGP von 1994 hieß es unter Punkt 1.3.:

Das kirchliche Eherecht muss im Blick auf die heutigen Probleme geändert werden, denn selbst nach kirchlicher Lehre ist es in der Beurteilung zerbrochener Ehen revidierbar. Bekanntlich ist auf dem Konzil von Trient die Auffassung der lateinischen Kirche lediglich als nicht im Widerspruch zum Evangelium stehend bezeichnet worden (Denzinger 1807). Damit ist auch eine menschenfreundlichere Praxis vom Evangelium her vertretbar.
(s. Edgar Utsch, Carl-Peter Klusmann (Hg.), Dem Konzil verpflichtet – verantwortlich in Kirche und Welt, S. 10)

Diese Forderung der AGP ist gegenwärtig besonders akut. Denn der römische Glaubenswächter Bischof Müller (früher Regensburg) versichert, nach Gottes Wille müsse ohne Ausnahme allen in einer Zweitehe Lebenden in alle Ewigkeit die Kommunion verweigert werden. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz Zollitsch und der Münchener Kardinal Marx meinen, über diese Frage müsse neu nachgedacht werden.

Müller und mit ihm viele andere berufen sich auf das erwähnte Konzil von Trient. Dieses hatte 1563 erklärt, die Kirche irre nicht, „wenn sie lehrte und lehrt, gemäß der Lehre des Evangeliums und des Apostels könne das Band der Ehe wegen Ehebruchs eines der beiden Gatten nicht aufgelöst werden, und keiner von beiden, nicht einmal der Unschuldige, der keinen Anlass zum Ehebruch gegeben hat, könne, solange der andere Gatte lebt, eine andere Ehe schließen…“ (DH 1807).

Was ist damit gesagt? In einer Fußnote heißt es: „Diese mildere Form der Verurteilung wurde mit Blick auf die Griechen gewählt, die einer entgegengesetzten Praxis folgten, die Lehre der lateinischen Kirche aber nicht verwarfen.“ Wenn die römische Kirche nicht irrt, heißt das nicht, andere irrten. Daraus folgt, eine andere Schriftauslegung und Praxis als die eigene wird stillschweigend akzeptiert. Ist das nicht reichlich spitzfindig? Das ist es in der Tat. Aber es hat damals (bis auf den heutigen Tag) geholfen, unterschiedliche Praktiken zu tolerieren, auch wenn eine Seite (die römische) sicher zu sein glaubte, ihre Bibelauslegung sei die richtige.

Aber heute ist nicht minder Spitzfindigkeit gefordert. Damals irrte die Kirche nicht. Aber heute irrte die Kirche, wenn sie den Spielraum für die Auslegung dieses Dogmas nicht wahrnähme. Seit Jahren schon wird diese Möglichkeit von Kennern des Tridentinischen Konzils immer wieder vertreten. Deshalb sind die Mitglieder unserer Gruppen zu loben, die längst die Exkommunikation der Betroffenen vor ihrem Gewissen nicht mehr für vertretbar halten. Man kann nur hoffen, dass das Kirchenrecht der theologischen (und pastoralen!) Einsicht demnächst folgt.

Carl-Peter Klusmann

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Geschieden und wieder verheiratet
Eine notwendige Erinnerung für Vergessliche

Zu Recht hat Carl-Peter Klusmann eine dogmatische Klarstellung zur Frage der verbindlichen Lehre zur sog. Unauflöslichkeit der Ehe vorgenommen, u.a. um dem römischen Maulhelden Müller in seine selbstgefällige Parade zu fahren. Dieser hat ja Erzbischof Zollitsch im Zusammenhang mit einer in Freiburg erstellten Handreichung zum pastoralen Umgang mit wieder verheirateten Geschiedenen aufgefordert, den „Entwurf der Handreichung zurückzunehmen und zu überarbeiten, damit nicht pastorale Wege offiziell gutgeheißen werden, die der kirchlichen Lehre entgegenstehen“. Zur Begründung seiner Position greift der Gralshüter auf die sattsam bekannte Methode der zirkulären Argumentation zurück, verweist also auf Texte der Glaubenskongregation und zitiert aus dem Apostolischen Schreiben von Johannes Paul II. ‚Familiaris consortio’: „...das Lehramt der Kirche... bekräftigt jedoch ihre auf die Heilige Schrift gestützte Praxis, wiederverheiratete Geschiedene nicht zum eucharistischen Mahl zuzulassen.“ In der von Klusmann entlarvten Weise vermittelt er den Eindruck, als seien römische Lehre und Praxis der einzigen Weisheit letzter Schluss.

Doch neben der dogmatischen bedarf es zur rechten Beurteilung der augenblicklichen Situation auch der „reformgeschichtlichen“ Erinnerung. Bereits Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts haben viele AGP-Reformgruppen, aber auch andere kirchliche Gremien und Verbände, eine Änderung der kirchlichen Praxis gegenüber wieder verheirateten Geschiedenen gefordert. Die erste Handreichung, die z.B. der Essener Kreis kurz nach seine Gründung 1971 – also vor 42 Jahren! – veröffentlichte, trug denselben Titel wie dieser Artikel „Geschieden und wiederverheiratet“. In ihr heißt es: „Die Kirche muss ihr Verhalten gegenüber den gescheiterten Eheleuten neu an Jesu Verhalten den gescheiterten Menschen gegenüber orientieren. Jesu eigene Sendung aber führte ihn vor allem zu denen, die in irgendeiner Weise aus der menschlichen Ordnung gefallen waren. Von daher gilt: Auch eine Ehe geschiedener Katholiken steht nicht nur unter dem Gericht, sondern viel mehr noch unter der Gnade Gottes... Das aber bedeutet nach unserem heutigen Verständnis von Gemeinde und Eucharistie, dass sie auch an der Kommuniongemeinschaft teilnehmen. Nur dann werden sie in ihrer Ehe und Familie ihren Glauben richtig leben können... Aus diesen und anderen Gründen verschließen sich viele katholische Priester nicht der Möglichkeit, nach einem eingehenden Gespräch mit den Betroffenen nicht nur zu aktiver Mitarbeit in der Pfarrei, sondern auch zur Teilnahme an der eucharistischen Tischgemeinschaft zu raten.“ In der Argumentation der Handreichung spielt übrigens das Stichwort „Barmherzigkeit“ eine besondere Rolle, das heute wie eine Neuentdeckung für Lehre und Praxis der Kirche auf den wetterwendischen Fahnen spät erwachter „Erneuerer“ auftaucht.

Zu erinnern ist auch an den Beschluss der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (1971 – 1975) „Christlich gelebte Ehe und Familie“, der immerhin mit den Stimmen der Bischöfe gefasst wurde. Darin heißt es: „Viele ... warten darauf, dass ihnen durch die Kirche die Vergebung Gottes im Bußsakrament zugesprochen und die Teilnahme an der Eucharistie als Zeichen kirchlicher Gemeinschaft gewährt wird. (3.5.1.3) Seit langem wird nach Wegen gesucht, diese Menschen wieder in die volle sakramentale Gemeinschaft der Kirche aufzunehmen.“ (3.5.1..4) Schließlich stellt die Synode fest: „Angesichts der Not der Betroffenen finden Seelsorger in den geltenden Bestimmungen oft kein befriedigendes Instrumentarium für pastorale Hilfen.“ (3.5.3.1)

Angesichts solcher „Zeitansagen“ aus den frühen siebziger Jahren wundert schon die Überschwänglichkeit, mit der in der kirchlichen, aber auch gesellschaftlichen Öffentlichkeit auf die neuerlichen Lockerungsübungen reagiert wird – natürlich nicht zu vergessen die angesprochenen Störfeuer, aber auch die wenig Mut erkennen lassenden Relativierungen aus den eigenen Reihen, etwa von Zollitsch selbst. Wenn man die offensichtliche Verspätung der entsprechenden – eher erhofften als durchgeführten – Reformen bedenkt, erstaunt es, wenn auch Franziskus davon spricht, Reformen brauchten Zeit. Mit Verlaub: Widerspruch, Seine Heiligkeit! Um im Bild zu bleiben: Die Verspätung ist in zwischen so groß, dass die Reisenden auf andere „Servicebetriebe“ umgestiegen sind. Selbst wenn jetzt sofort eine Modifizierung kirchlicher Lehre und eine Änderung kirchlicher Praxis erfolgte – beides käme endlich, aber zu spät! Zynisch könnte man hinzufügen: Dann kann man sich auch ruhig Zeit lassen – der Zug ist sowieso abgefahren. Wen interessiert denn noch die amtlich beschworene oder in Aussicht gestellte Barmherzigkeit?

Außerdem: Jeder Applaus für die „Neuentdeckung“ Barmherzigkeit ist verfehlt; insbesondere wenn sie in Gutsherrenart von den „Herren des Glaubens“ gewährt wird. Zunächst ist von diesen ein anderer unerlässlicher Schritt gefordert: Sie müssen die um Vergebung bitten, die durch kirchliche Vorschriften zeit ihre Lebens verurteilt und – auch gesellschaftlich – geächtet wurden; die man mit wohlfeilen, evangeliums- und lebensfremden Ratschlägen abgespeist, denen man aber das Brot des Lebens vorenthalten hat. Eine Vergebungsbitte auch an die Seelsorger, die seit langem eine nun plötzlich denkbar erscheinende Praxis geübt und, ihrem Gewissen gehorsam, Menschen einen Weg des Glaubens ermöglicht und so in der kirchlichen Gemeinschaft gehalten haben. Sie mussten dafür nicht selten Nachteile in Kauf nehmen, wurden – von Hierarchen, aber auch von Hardlinern unter Kollegen und in den Gemeinden – des Verrats an den christlichen Werten und der moralischen Laxheit geziehen.
Noch immer sind die kirchliche Lehre und die entsprechende pastorale Praxis eher Gründe zur Scham als zu noch so verschämtem Aufatmen wegen eines angeblich anbrechenden Barmherzigkeits-Frühlings.

Ut

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„Den Ungläubigen wurde ich ein Ungläubiger“

Wenn man den Statistiken glauben darf, gehören ca. 80 % der Weltbevölkerung einer Religion an. Allein der Begriff "Religion" ist schon eine Verlegenheitslösung. Denn bis heute kann niemand eine eindeutige Antwort geben, was denn unter diesem Begriff zu verstehen sei. Die christliche Theologie ist zwar nicht müßig geblieben und hat ihrerseits die Frage, was eigentlich eine Religion ist, aus ihrer Sicht häufig zu beantworten versucht. Das Pech ist aber, die Anhänger anderer Religionen können mit einer solchen, d.h. mit unserer Antwort nichts anfangen.

Wenn die Theologie nicht weiter weiß, ist vielleicht die Philosophie oder notfalls die Soziologie klüger? "Notfalls" die Soziologie. Diese Formulierung bedeutet keine Geringschätzung, wie es im Mittelalter vielleicht gemeint gewesen wäre, als die Theologie sich als die Königin der Wissenschaften verstand. Sogar die Philosophie galt damals nur als halbe Portion, als ancilla, Magd der Theologie. Die Soziologie, die wir heute jedoch als höchst bedeutsame und natürlich selbständige Wissenschaft betrachten, gab es damals noch nicht einmal. Was ist also zu tun?

In der Philosophie gibt es Versuche, aus der Fülle der verschiedensten Religionen das Gemeinsame herauszufiltern. Ein gutes Beispiel liefert das hoch angesehene umfangreiche "Historische Wörterbuch der Philosophie". Zum Stichwort „Religion“ stellt der Verfasser Ulrich Dierse zu Beginn fest: „Obwohl es seit langem üblich ist, Religion als Sammelbegriff für jede Verehrung transzendenter Mächte, jede Lehre vom Göttlichen und alle Glaubensbekenntnisse der Menschen zu verwenden, ist es fast unmöglich, genaue Äquivalenzbegriffe für Religion in jenen Sprachen zu finden, die nicht das lat. religio aufgenommen haben, nicht zuletzt wegen des Bedeutungswandels von religio selbst.“

Einen Oberbegriff, unter dem die verschiedensten Religionen zusammenzufassen wären, finden die Philosophen demnach nicht. Gelegentlich wird mancherorts sogar nur der in der eigenen Religion verehrten Gottheit die Göttlichkeit zugebilligt. Ähnlich fällt es uns Christen schwer, andere Religionen als Religionen ernst zu nehmen, gar sie als ebenbürtig zu betrachten. Nehmen wir an, auf einem anderen Stern gäbe es Schafe aber sonst keine anderen Säugetiere. Wie kann man den Bewohnern dort erklären, dass es auf der Erde auch noch andere Tiere mit vier Beinen gibt? So fällt es etwa manchem Moslem schwer hinzunehmen, dass Fremde ihren Gott ebenfalls Allah nennen, obwohl nur der von ihnen verehrte Allah diesen Namen verdient, und der ist der einzige: „Er ist Gott, außer dem es keinen Gott gibt.“.

Bescheidener geht heute die Soziologie vor. Sie versucht erst gar nicht zu definieren, was eigentlich „die“ Religion ist. Sie beschränkt sich darauf zu untersuchen, welche Rolle die Religion in der jeweiligen Gesellschaft spielt. Etwa: Fordert sie ihre Anhänger auf, friedlich mit Fremden und "Andersgläubigen" zusammenzuleben? Oder stachelt sie vielmehr ihre Anhänger auf, Fremde wegen ihres angeblichen Unglaubens oder gar Irrglaubens zu bekämpfen?

Wie jeder weiß, leben wir heute Tür an Tür etwa mit Muslimen oder (noch schlimmer?) mit Atheisten, die womöglich unser Christentum überhaupt nicht schätzen. Erst recht bieten die Verhältnisse in der weiten Welt ein völliges Durcheinander. Um sich selbst in dieser großen und in unserer kleinen Welt zurechtzufinden und dieser Situation gerecht zu werden, muss geklärt werden, was überhaupt Religion sei. Dieser Versuch kann nicht nebenbei durch bloß gut gemeinte theologische Theorien oder Praktiken ersetzt werden.

Das ist aber nicht alles. Außerdem gibt es für uns einen Maßstab, wie wir uns gegenüber Andersgläubigen oder Nichtglaubenden verhalten sollen. Ich finde die Sache beim Apostel Paulus (wie man heute zu sagen pflegt) auf den Punkt gebracht. Er versichert 1 Kor 9,19-23: „Ich habe mich für alle zum Sklaven gemacht, um möglichst viele zu gewinnen. Den Juden bin ich ein Jude geworden, um Juden zu gewinnen; denen, die unter dem Gesetz stehen, bin ich, obgleich ich nicht unter dem Gesetz stehe, einer unter dem Gesetz geworden, um die zu gewinnen, die unter dem Gesetz stehen. Den Gesetzlosen war ich sozusagen ein Gesetzloser - nicht als ein Gesetzloser vor Gott, sondern gebunden an das Gesetz Christi -, um die Gesetzlosen zu gewinnen. Den Schwachen wurde ich ein Schwacher, um die Schwachen zu gewinnen. Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten.“

Vermutlich müsste man heute konsequenterweise fortfahren: „Den Ungläubigen wurde ich ein Ungläubiger.“ Das heißt, wir müssten die Welt auch einmal betrachten, ohne die Brille als Christen auf der Nase. Wenigstens müssten wir versuchen, uns zu fragen, was es für uns als Menschen überhaupt bedeutet, (gegebenenfalls) eine Religion zu haben. Damit wären wir bei dem Thema, das wir in den Pfingsttagen gemeinsam diskutieren wollen.

Aber ein Nachwort sei mir noch gestattet. Wer soviel Askese aufbringt, hin und wieder Verlautbarungen von der „anderen Seite“ zur Kenntnis zu nehmen, kommt zu einer überraschenden Feststellung. Ich denke an die sog. Piusbrüder, d.h. die Gefolgsleute von Lefebvre und deren Gesinnungsgenossen noch weiter rechts. Seit der Papst Franziskus heißt und überraschend offen auch Gespräche mit „Ungläubigen“ führt, werden diese Sippschaften nicht müde, ihn zu schulmeistern. Unermüdlich meinen diese Vertreter, ihn daran erinnern zu müssen, ein Christ habe die primäre Aufgabe zu missionieren. Der Papst solle also auch die Vertreter anderer Religionen und die Ungläubigen hauptsächlich zur Bekehrung aufrufen. Wenn diese nicht an Jesus Christus glaubten und sich der alleinseligmachenden Kirche anschlössen, seien ihre Seelen rettungslos verloren. Hatte nicht Paulus (s. oben) in erster Linie versucht, auch andere für Christus zu gewinnen?

In der Tat wollte Paulus seine Mitmenschen für den christlichen Glauben gewinnen. Aber seine Methode war nicht die der heutigen Glaubensfanatiker. Er hielt keine Höllenpredigten und er kannte nicht die Arroganz derer, die heute katholischer sein wollen als der Papst. Dabei entwerfen diese ein Zerrbild der Kirche, das die Bildzeitung vor Neid erblassen lässt, falls deren Redakteure diesen Sumpf einmal entdecken sollten.

cp

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„Religion und Glaube – auf dem Marktplatz der Welt“
Thematischer Rahmen der AGP-Jahresversammlung 2014

Die Regionalkonferenz NRW hat sich am 27. November der alljährlichen Aufgabe unterzogen, das Thema für die nächste Jahresversammlung festzulegen. Sie hat sich dabei an einen Vorschlag der diesjährigen JV gehalten. Er lautete: Die Bedeutung der Religion in unserer Gesellschaft und im persönlichen Leben.

Verschiedene Orte werden im Augenblick genannt, wenn es um die Beschreibung von Aufgaben der Kirche bzw. ihrer Wege und Ziele geht. Papst Franziskus fordert die Priester und Gläubigen auf, an die Peripherie und auf die Straßen zu gehen. Gemeint ist damit die Lebenswelt, die Nähe zu den Menschen – besonders zu denjenigen, die an den Rand gedrängt werden.

Im o.g. Thema wird das Bild des öffentlichen Marktplatzes verwendet. Es weckt unterschiedliche Assoziationen: der angeblich „freie“ Markt als Götze, die Herrschaft des Marktes, der Geldmarkt, auf dem Profit das oberste Ziel ist, der Ort, an dem geschachert und übervorteilt wird, wo man lautstark seine Ware und seine Interessen anpreist, wo man Schnäppchen (auf Kosten anderer) ergattern kann. – Der Markt aber auch als Ort der Begegnung, an dem ich auswählen darf, mir nichts vorgeschrieben wird, ich nicht festgelegt bin - außer durch meine eigenen Vorlieben, persönlich beraten werde und mich (oft nur vermeintlich) dem Zugriff von Großkonzernen und ihren Manipulationen entziehen kann. Man wirbt um meine (Kauf-)Gunst – ich scheine zumindest hier Herr der Entscheidung zu sein.

Unsere Welt scheint einem Marktplatz vergleichbar und die Situation eines gläubigen Menschen mit der eines „Kunden“ und eines „Verkäufers“ zugleich. Er ist herausgefordert von den unterschiedlichen Angeboten an Überzeugungen, Interessen, Ideologien, politischen Programmen, Lebensentwürfen, Religionen – und muss nicht nur seine Wahl treffen, diese vor sich selbst und anderen gegenüber begründen, sondern auch sein eigenes „Angebot“ vertreten. Im vielstimmigen Chor soll er seine Noten so einbringen, dass sie heraus-gehört werden und als eigene Melodie aufhorchen lassen.

Mit anderen Worten: Wie kann heute die Bedeutung von Religion und Glauben mitten in einer weithin profanen Welt erkennbar werden? Welche Sprache kann die Menschen neu hinhören lassen, wenn Glaubende von Gott und ihrer Hoffnung sprechen? Wie müssen Christen mit ihrer ganzen Existenz „gestikulieren“, damit sie glaubwürdig erscheinen, ihr Handeln aufmerken lässt und für andere Bedeutung gewinnen kann? Worin sehen religiöse Menschen selbst den „Mehrwert“ ihres Glaubens und wie ist dieser vermittelbar – auch argumentativ?

Ob die Teilnehmenden der nächsten Jahresversammlung für die Beantwortung der Fragen mit der Hilfe eines Referenten rechnen dürfen oder allein auf eigene Geisteskraft angewiesen bleiben, ist noch nicht entschieden.

Ut

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