sog-logo

46. JAHRGANG
 
16. März 2013


INFORMATIONSDIENST DER ARBEITSGEMEINSCHAFT VON PRIESTER- UND SOLIDARITÄTSGRUPPEN IN DEUTSCHLAND (AGP) 2013 / 2

Das Phänomen der Entbehrlichkeit
Die AGP fragt: Was steckt hinter dem Krisen-Gerede?

In der Vorbereitung der AGP-Jahresversammlung (gewohnheitsgemäß während der Pfingstoktav) tauchten bei der Frage nach dem heutigen Zustand der Kirche die gegenwärtig immer wieder, mal hier mal da, beklagten Krisen auf. Die Stichworte sind hinreichend bekannt. Mal wird allgemein eine Kirchenkrise beklagt. Nicht wenige betonen: Die Kirche leidet an einer Strukturkrise. Andere beklagen vor allem eine Glaubenskrise. Johannes B. Metz überbietet alle und liefert mit gewohntem literarischem Erfolg als eigene Kreation: eine Gotteskrise. Angesichts dieses Befundes haben wir uns nach einer gemeinsamen Wurzel, gewissermaßen nach der Krise in den genannten Teilkrisen gefragt. Hinter allen Krisenphänomenen scheint die in und außerhalb der Kirche wachsende Empfindung zu stecken, dass die Kirche inzwischen weithin entbehrlich sei. Edgar Utsch zitierte den manchmal zu hörenden Sponti-Spruch: "Ich glaub’ nix – mir fehlt nix!" (SOG-P. 12/8) So kam es zum Thema der Pfingsttagung mit der Frage nach der vielerorts empfundenen Entbehrlichkeit der Kirche.

Das Stichwort „Entbehrlichkeit der Kirche“ als Thema des Studientages, am Diestag,, während unseres Pfingsttreffens (sh. SOG-Papiere ebd. u. unten) hat anscheinend eine gewisse Irritation ausgelöst. Gewiß, kein Sterblicher kann wissen, ob die Kirche für einige, vielleicht sogar für viele Menschen oder überhaupt für jemanden wirklich entbehrlich ist. Das ist eine Sache des Glaubens! Dass die Kirche jedoch von unzähligen Zeitgenossen für entbehrlich gehalten wird, ist nicht zu übersehen. Darauf wollte ich mit meinem Beitrag „Mehr Fragen als Antworten“ in den letzten SOG-Papieren hinweisen. Beachten sollten wir jedoch noch weitere Krisenzeichen. Dafür möchte ich im folgenden zwei Beispiele nennen.

Beispiel Nr. 1:

Außer den Allerjüngsten unserer Leser können sich alle anderen sicher noch bestens erinnern, was kaum in früheren Todesanzeigen gläubiger Katholiken fehlte: „Er/sie starb versehen mit den Tröstungen (oder: Sterbesakramenten) unserer heiligen Kirche.“ Mißtrauisch oder besorgt haben Bekannte und Verwandte damals darauf geachtet, ob ein solcher Hinweis evtl. fehlte. Das ließ in der Regel auf einen plötzlichen Tod schließen oder gar darauf, dass der/die Verstorbene sich vom wahren Glauben abgewandt hatte und nun womöglich keine Aussicht hatte, „in den Himmel“ zu kommen. Dass derartige Floskeln heute in der Regel fehlen, ist an sich kein Verlust. Immer häufiger ist jedoch zu lesen, dass der/die Verstorbene durch den Tod erlöst (!) worden sei. Dass nach einem schmerzvollen Leiden der Tod immer häufiger als Erlösung empfunden wird, ist nur zu gut verständlich und nachzuvollziehen. Der unreflektierte Gebrauch des Wortes „Erlösung“ ist jedoch symptomatisch für die Verflachung zuvor eindeutig biblischer Begriffe. Ähnliche Feststellungen für das Schwinden religiöser oder gar christlicher Motive wie in Todesanzeigen sind bei einem Gang auf dem Friedhof und der Lektüre von Grabinschriften unvermeidlich. Fazit: Es geht auch ohne Religion!

Beispiel Nr. 2:

Hans Urs von Balthasar, ein auch in „konservativen“ Kreisen angesehener Theologe, war von Papst Johannes-Paul II. zum Kardinal ernannt worden und sollte am 28. Juni 1988 standesgemäß das scharlachrote Birett überreicht bekommen. Zwei Tage zuvor ist er unerwartet gestorben. Die Pius-Bruderschaft erkannte darin einen Hinweis Gottes. Was war geschehen? Balthasar war ein tiefgläubiger Katholik und leugnete keines der kirchlichen Dogmen einschließlich der Lehre von Fegefeuer, Hölle usw. Jedoch hatte er sich unterstanden für möglich zu halten, dass die Hölle leer (!) sei. Diese Meinung hätte durch die Beförderung Balthasars eine Bestätigung erhalten können, mit der kirchlichen Lehre vereinbar zu sein. In diesem Punkt sind die Lefrebvianer sehr empfindlich, denn sie agitieren ständig mit der Sündenangst ihrer Anhänger. Um diesem Unglück vorzubeugen, hätte Gott selbst durch den Tod des Irrlehrers vor aller Welt erkennbar rechtzeitig eingegriffen. Diese Deutung wurde von der Lefebvre-Sekte wiederholt vertreten. Dass Gott - vor allem strafend - in das Weltgeschehen eingreift, ist lange Zeit verbreitete Überzeugung in der Kirche gewesen.

Nun ist in unseren Tagen erneut ein Ereignis eingetreten, durch welche die der Pius-Bruderschaft bekannten Pläne Gottes durchkreuzt wurden und dabei selbst das Papsttum zu Schaden gebracht wird. Am besten wir halten uns an den Originaltext aus der Feder des „Distriktoberen“ der erwähnten Priesterbruderschaft (Mitteilungsblatt Nr. 410, März 2013, S. 1):

„Die Ankündigung des Papstes vom 11. Februar, mit dem 28. Februar 2013 aus seinem Amt als Bischof von Rom und Nachfolger des heiligen Petrus zu scheiden, hat überall Betroffenheit, oft auch einen wahren Schock ausgelöst. Menschlich gesehen ist dieser Schritt gewiss verständlich: Die Kräfte ließen tatsächlich nach, die ungeheure Last des Amtes wurde nicht mehr als tragbar empfunden, aus verhältnismäßig gut unterrichteter Quelle hörten wir von Depressionen des Papstes.

Dem Amt aber ist dieser Schritt sicher abträglich. Denn eigentlich kann nur Gott selbst dieses Amt durch den Tod des jeweiligen Inhabers zurücknehmen. Er hat ihn ja auch in dieses Amt eingesetzt, nicht die Kardinäle, die in der Wahl nur den Kandidaten bezeichnen, nicht mehr. Der Papst ist sein Stellvertreter auf Erden. Darüber hinaus ist der Heilige Vater nun einmal der Vater der Christenheit, und von der Vaterschaft kann man sich nicht verabschieden. Das Amt wird so zu einer Funktion. „Bisher waren wir eine Familie, jetzt sind wir ein Betrieb", äußerte ein römischer Theologe.“

Abgesehen davon, dass üblicherweise der Papst als Stellvertreter Christi und nicht Gottes gilt (was für diese Herren offenbar dasselbe ist), kann nicht geleugnet werden: Dieser Schritt des bisherigen Papstes trägt keineswegs zu der von Ratzinger empfohlenen „Entweltlichung“ bei sondern kratzt gehörig am Papstmythos. Der Papst ist eben kein Übermensch, der ständig mit dem Allmächtigen auf Du und Du verkehrt. So makaber es klingen mag: Was hinderte denn Gott daran, seinen Diener Benedikt im Augenblick der erfolgreichen Wahl des Nachfolgers tot umfallen zu lassen, damit die Sache wieder ihre Richtigkeit hat? War es nicht Kardinal Schönborn (Meisner oder ein anderer) der betonte, dass Gott den neuen Papst längst ausgesucht hat und die Kardinäle beim Konklave lediglich die Aufgabe haben, ihm auf die Schliche zu kommen? Das wird uns normal Sterblichen selbstverständlich mit viel frommeren Sprüchen geschildert.

Diskrepanz:

Am laufenden Band begegnen dem Publikum in diesen Tagen Szenen eines Dramas von unheimlicher Diskrepanz: Auf der einen Seite die verblüffend banale menschlich-allzumenschliche Realität der römischen Kirche. Peinliche Einzelheiten aufzuzählen, können wir uns hier ersparen. Auf der anderen Seite die Hybris, mit der die Akteure beanspruchen und sicher durchweg davon überzeugt sind, nichts Geringeres durchzuführen als das Geschäft des Ewigen. Es sei demnach von unvorstellbar universaler Tragweite! Indem es Himmel und Erde umfasst, besiegelt es zugleich die Vergangenheit und übersteigt die Zukunft. Das Geschäft eines unfaßbaren Gottes, der sich anscheinend dem menschlichen Treiben immer mehr entzieht. Das alles spielt sich vor den imposanten Kulissen des Mittelalters ab und nach einem Ritual, das unveränderlich scheint. Ein Spektakel zweifellos, in dessen Ambiente sich die modernsten Medien der Gegenwart für einige Wochen genüßlich suhlen werden, bevor der gewohnte alltägliche Katzenjammer wieder die Oberhand gewinnt.

Ist das alles aber nicht dazu angetan, den Durchnittsmenschen die "andere Welt", in der die Religion zu Hause ist als eine Traumwelt vor Augen zu führen? Folglich werden sich Menschen ihrerseits der Institution Kirche weiter entfremden, so dass viele diese Kirche endgültig (zu Unrecht?) für entbehrlich halten. Das hindert einzelne nicht, dort vielleicht wieder Trost oder Vertröstung zu suchen, wenn etwa in ihrem persönlichen Umfeld ein Nahestehender stirbt. Sollte vielleicht anläßlich eines Katastrophenfalles oder des Heldentodes in den Reihen unserer weltweit rührigen Bundeswehr wieder ein "unfaßbares Ereignis" eintreten, dann schlägt auch wieder für die Kirche(n) in der Öffentlichkeit die Stunde. Deren Religion muss wieder einmal mehr (sit venia verbo) zur Dekoration herhalten. Die Kirche findet sich dann jedoch wieder in einer Rolle, vielleicht zu spät, die für sie auf die Dauer in die völlige Belanglosigkeit führt.

cp

Zurück zum Inhaltsverzeichnis


Ist die Kirche entbehrlich?
Erfahrungen und Perspektiven

Die AGP-Regionalkonferenz musste in eine zweite Runde gehen, um den inhaltlichen Rahmen und die methodische Vorgehensweise für die Jahresversammlung 2013 festzulegen. Das Ergebnis: In diesem Jahr wird kein Referent eingeladen. Wir haben uns an die guten Erfahrungen mit Gesprächsimpulsen erinnert, die aus den eigenen Reihen kamen. Besonders bei dem diesjährigen Thema spielen unsere Erfahrungen mit der Kirche eine besondere Rolle, so dass es nahe lag, die Tagung mit den eigenen Kompetenzen zu gestalten.

Aber die Frage nach der Entbehrlichkeit der Kirche ist keine nur „persönliche“, sie kann aus der subjektiven Sicht und Betroffenheit allein nicht ausreichend beantwortet werden. Vielmehr ist sie im Kontext vielfältiger (zeit-) geschichtlicher Entwicklungen und Ereignisse zu stellen und zu bedenken; natürlich dann noch einmal in einer legitimen je eigenen Prägung und Bewertung. So werden sich die Teilnehmenden in Heppenheim nicht nur einfach „unterhalten“, sondern sich gegenseitig Fragen und in Frage stellen, damit wesentliche Aspekte nicht ausgeblendet bleiben, Korrekturen aber auch Ermutigungen möglich werden. Zum Gelingen der Jahresversammlung wird es dieses Mal noch mehr als sonst notwendig sein, sich selbst „einzubringen“. Eine interessante Herausforderung.

„Schafft sich die katholische Kirche ab?“ so lautet der Titel eines Buches des McKinsey-Unternehmensberaters Thomas von Mitschke-Collande. Gemeint ist wohl die römisch-katholische Kirche, die im gängigen Sprachgebrauch fast immer als „katholisch“ bezeichnet oder gar noch abwegiger „die Kirche“ genannt wird. Das ist sicher eine nicht unwichtige Differenzierung. Noch wichtiger aber erscheint die sich anschließende Frage. Wie heruntergekommen in ihrem Ansehen muss die römisch-katholische Kirche schon in den Augen der Zeitgenossen sein, wenn immer mehr Christen, wohlgesonnene Kirchenmitglieder ernsthaft die Frage stellen, ob diese Kirche noch notwendig sei oder endgültig „abgewirtschaftet“ habe. Selbst Repräsentanten der kirchlichen Hierarchie stellen fest, dass nicht das Wohl der Gläubigen im Vordergrund stehe, sondern kirchenpolitische Überlegungen eines geschlossenen und nicht erneuerbaren Systems – so der Abt des Benediktinerklosters Mariastein Peter von Sury. Er verweist auch darauf, dass die Sachfragen erst gelöst werden können, wenn die Strukturen stimmen. Also nicht mehr länger die Immunisierungsstrategie gegen Reformforderungen mit dem unerleuchteten Hinweis, es ginge ja „nur“ um Strukturfragen. Selbst der über jeden Zweifel an seiner konservativen Grundeinstellung erhabene Bischof von Essen, Franz-Josef Overbeck, schreibt in seinem Hirtenwort zum 1. Januar: „Darum müssen unsere Kirchenstrukturen daran gemessen werden, ob sie tatsächlich helfen, Glaubenserfahrungen zu machen... Ich glaube, dass nicht wenige Menschen in unserem Land unsere Kirche mit ihren Strukturen eher als ein Hindernis auf dem Weg zu Gott erfahren.“

Wir werden aus „guten“ Gründen den vermuteten späten Einsichten kirchlicher Hierarchen gegenüber skeptisch bleiben. Die Bedeutung von Glaubens- und Kirchenerfahrungen gerade für die Entbehrlichkeits-Frage ist aber unbestritten. Darum gibt der Untertitel des Themas der AGP-Jahresversammlung auch die Richtung und den Weg an, auf dem wir eventuell die genannte Frage beantworten können.

Unsere eigenen Erfahrungen mit der Kirche, unsere Perspektiven für die zukünftige Entwicklung der Kirche sollen Ausgangspunkt und Inhalt unserer gemeinsamen Überlegungen in Heppenheim sein. Darum wird am Beginn des Studientages in Gruppen Gelegenheit sein, sich mit der eigenen Glaubens- und Kirchengeschichte einzubringen – in gegenseitigem Respekt vor den persönlichen Erfahrungen und Bewertungen bzw. Konsequenzen. Diese offene Situation ist auch deswegen notwendig, weil keiner eine „objektive“ Antwort oder gar Lösung reklamieren kann. Wir befinden uns in der Kirche, in unserer Gesellschaft und global in vielfältigen „offenen“ Krisen. Über Lösungswege wird man mit Fug und Recht streiten dürfen bzw. sogar müssen. Das Ziel aber ist eine von Solidarität geprägte Kirche und Welt.

In den Gruppen wird es also nicht darum gehen, die Klagemauer mit den üblichen Beschwerden zu bestücken. Es geht vielmehr um die Erfahrungen, mit denen wir jetzt oder schon lange das herrschende Kirchenmodell unterlaufen, die Entbehrlichkeit des römischen Systems erfahren und alternativ Kirche sind und leben. Natürlich wird dann zur Sprache kommen, welche Motivation uns die Kraft zum Widerstand und zu einer neuen Glaubenspraxis, die gerade keine unkirchliche ist, gegeben hat.

Was die einzelnen Gesprächsteilnehmer besonders beeindruckt hat, wird dann den Inhalt der Überlegungen im Plenum bestimmen. Die größere Runde wird neben einer Vertiefung der Selbstvergewisserung auch eine Erweiterung selbstkritischer Rückfragen ermöglichen. In diesem Klärungsprozess sind dann die „Zeichen der Zeit“ als Kontext kirchlicher und gesellschaftlicher Prozesse in ihrer wichtigen Funktion zu berücksichtigen.

Bis zur AGP-Tagung wird sich das (Papst-)Gesicht der Kirche verändert haben. Wir werden sicher diesen Vorgang nicht unberücksichtigt lassen können. Nicht, weil wir Hoffnungen an ein systemkonformes Pontifikat (Ein anderes ist gar nicht möglich!) knüpfen oder gar unsere Hoffnung(en) davon abhängig machten, sondern weil die Diskussionen um den Papstwechsel die Notwendigkeit einer Kirchenwende bewusster machen und so zu ihr beitragen könnten.

Die auf der Jahresversammlung (mit-) geteilten Erfahrungen und Perspektiven könnten dazu beitragen und ermutigen, gelassener und selbstverständlicher die persönlich als befreiend erkannten Wege als Kirche zu gehen – und das Entbehrliche, das sich oft genug als das Kirchliche ausgibt, aber als das Hinderliche erweist, hinter sich zu lassen.

Ut

Zurück zum Inhaltsverzeichnis


Der „Schatz“ der Kirche

An dieser Stelle muß nicht klargestellt werden, dass die AGP sich nicht in erster Linie um die sogenannten (materiellen) „Schätze“ der Kirche Gedanken macht. Einerseits ist es töricht, wenn etwa künstlerische Erbstücke betrachet werden wie marktfähige Handelsware. Andererseits gibt es offenbar Gründe genug, das Finanzgebahren kirchlicher Institutionen kritisch zu überprüfen. Das ist jedoch jetzt nicht unser Thema.

Vom „Schatz“ der Kirche ist hier die Rede im Zusammenhang mit dem Jahresthema der AGP, bei dem nach der Berechtigung und evtl. nach den Gründen gefragt werden soll im Hinblick auf die betrübliche Feststellung, dass und warum zunehmend mehr Zeitgenossen die Kirche für entbehrlich halten. Für die Unentbehrlichkei spricht hingegen nach Meinung vieler das humane, religiöse und kulturelle Erbe, das die Kirche weiterhin zu bewahren und zu überliefern hat. In diesem Sinne tauchte das Stichwort auch bei der Vorbereitung des Jahrestreffens der AGP auf. Die SOG-Papiere berichteten in ihrer Ausgabe 2012/8 davon:

"Trotz der auch (nicht: nur) durch eigenes Versagen verursachten Irrelevanz der Kirche war auf der Regionalkonferenz wiederholt vom „Schatz“ der Kirche die Rede, den sie zum Wohl der Menschen bereithalten und einsetzen müsste. Doch welches sind denn – um es weniger emphatisch zu sagen – die Lösungspotentiale, über die die Kirche insbesondere oder gar alleine verfügt? Welche Orientierungsmarken könnte sie setzen, um Menschen Zuversicht und Institutionen Perspektiven zu vermitteln angesichts endgültig scheinender Ausweglosigkeiten? Denn natürlich verfügt die Kirche nicht über ein anderen verborgenes Geheimwissen, nicht über fertige Antworten und Rezepte auf neu oder radikaler aufbrechende Fragen und globalisierte Probleme."

Selbstkritisch werden die Solidaritätsgruppen der AGP zu berücksichtigen haben, dass längst nicht alles in diesem Zusammenhang auf dem Spiel steht, was Katholiken als einzelne für sich als schätzenswert ansehen. Dabei dürfte es sich meistens um typisch religiöse Erfahrungen und Aspekte handeln. Bei unserer Tagung im Jahr 2005 hatten wir versucht, diese Problematik gewissermaßen von außen zu betrachten, als wir uns fragten: Was sind wir der Welt schuldig? Die Antwort kann man sich gewiß auch sehr einfach machen, wenn man antwortet: Die Kirche und die Christen sind der Welt zuvörderst das Zeugnis des Glaubens und der Glaubenspraxis schuldig. Jedoch erweist sich unsere Perspektive von 2005 immer noch als reichlich kirchenzentriert, dh. als eine bloße Binnenperspektive.

Vielleicht müssen wir inzwischen (zumal nach den Erfahrungen der letzten Jahre) die Fragestellung umkehren und uns fragen: Was erwartet die Welt von der Kirche? Selbstverständlich kann hier nur nach berechtigten Erwartungen gefragt werden. Alle aus der Geschichte nur zu bekannten Lakaiendienste für die in der Welt Herrschenden scheiden aus. Zudem muß gefragt werden: Wer oder was ist hier mit „Welt“ gemeint?

Es zeigt sich also: Für die Pfingsttagung haben wir Stoff genug, obwohl die Nordrhein-Westfalen-Konferenz mit ihrer Vorbereitung zunächst ins Stottern geraten ist (sh. oben: Ist die Kirche entbehrlich?). Wir werden uns jedoch vor einer Falle zu hüten haben: Es darf nicht sofort um die Frage gehen, wie vorhandene Löcher gestopft werden können. Oder konkret gefragt: Welche pastoralen Methoden (und Tricks) können angewandt werden, um die Kirche auf dem Religions-, Sinn- bzw. Weltanschauungsmarkt besser zu plazieren? Bevor eine Therapie zur Debatte steht (wie bisher bei uns meistens geschehen), muß eine Diagnose erstellt werden. Dagegen wird es wohl Einwände geben mit dem Tenor: Wir sind nicht der Chefarzt der heutigen Gesellschaft. Das ist richtig. Es fragt sich jedoch, wie weit wir eigentlich in der Rolle von Patienten sind. Denn wir selbst leben nicht außerhalb der Gesellschaft. Zu einer hilfreichen Anamnese müssen wir nämlich auch selbst beitragen.

Kl.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis


Informationsdienst der AGP: 59071 Hamm, Soester Str. 165, Ruf (02381)880499, Fax 880431; m.krystofiak@t-online.de
Redaktion: Edgar Utsch, 45888 Gelsenkirchen, Siegfriedstr. 6, Ruf (0209)23736, Fax 1479680; E.Utsch@web.de und
Carl-Peter Klusmann, 44139 Dortmund, Kreuzstr. 68, Ruf (0231)147303, Fax 2866505; cp.klusmann@dokom.net
Die SOG-Papiere erscheinen als Beilage zu "imprimatur", 66123 Saarbrücken, Walter Gieseking-Str. 12