Interview
Der Kapuziner Willi Anderau zum Manifest "Für eine ökumenische Reformation"
"Das Manifest folgt dem Auftrag Christi"
Von Josef Bossart / Kipa


Zürich, 22.6.13 (Kipa) Geistliche verschiedener christlicher Konfessionen feiern am kommenden Samstag in der Lazariterkirche bei Dübendorf ZH gemeinsam Abendmahl. Gleichzeitig geht ein Manifest an Papst Franziskus und die anderen Kirchenführer, das sich "für die gemeinsame Eucharistie" ausspricht - "jenseits von Spaltung und Machtdenken". Zu den Initianten der Ökumenischen Tisch-Gemeinschaft Symbolon gehört der Kapuziner und katholische Priester Willi Anderau. Die Presseagentur Kipa hat ihn dazu befragt. Die gemeinsame Abendmahl-Feier ist in der katholischen Kirche strikt untersagt.

Frage: Liest man das Manifest, versteht man tatsächlich nicht, weshalb die christlichen Konfessionen es bis auf den heutigen Tag nicht geschafft haben, gemeinsam Eucharistie zu feiern! Weshalb ist das aus Ihrer Sicht so?
Willi Anderau: Die Frage führt zum Kern des Problems: Es ist in der Tat kaum zu begründen, weshalb man über Jahrhunderte das Gebet Christi, das Vater unser, gemeinsam betet und sich gleichzeitig weigert, das Gebot Christi zu erfüllen, einander so zu lieben, wie er uns geliebt hat und mit Jesus gemeinsam Mahl zu halten.

Man sträubt sich, mit den Brüdern und Schwestern einer anderen Konfession an dem gleichen Tisch Christi zu sitzen, zu dem er uns eingeladen hat. Christus ist zwar der Gastgeber und der Einladende, aber wir behalten uns vor zu bestimmen, wer mit uns zusammen an diesem Tische Platz nehmen darf.

Im gegenseitigen Ringen um Definitionen und Ämterstrukturen hat man sich in sprachliche Spitzfindigkeiten verstiegen und verstrickt, so dass auf diesem Weg kaum mehr eine Lösung zu finden ist. Welche Interessen und Machtansprüche stecken dahinter, wenn zwar ständig aufgerufen wird, für die Einheit der Christen zu beten, aber von den gleichen Stellen verboten wird, konsequent ökumenisch zu handeln?

Diese Inkonsequenz kann nicht von den Theologen gelöst, aber vielleicht von den Psychologen erklärt werden. Das Manifest durchschneidet gewissermassen den gordischen Knoten der verkeilten Diskussionsparteien und Machtspiele. Es geht zurück zur Quelle, es folgt dem Auftrag Christi.

Frage: Als katholischer Priester tun Sie in der gemeinsamen Abendmahlsfeier mit Geistlichen anderer Konfessionen etwas, was Ihnen gemäß katholischer Kirchenlehre strikt untersagt ist. Weshalb tun Sie es trotzdem?
Anderau: Anstatt "katholischer Kirchenlehre" würde ich lieber sagen, gemäß "den aktuellen Verordnungen der Kirche". Die Lehre der Kirche hat sich an Jesus Christus zu orientieren, an seinen Worten und an seinen Taten. Alles andere ist sekundär und kann sich je nach Umständen und Interessenlage der verantwortlichen Leitungsorgane ändern, wie uns die Geschichte ja eindrücklich zeigt. Natürlich braucht es auch eine Ordnung, und es braucht Leitungsorgane. Wie wir aus Erfahrung wissen, können Leitungsorgane – auch in der Kirche - eine Eigendyamik entwickeln und bestimmte Gruppen-Interessen verfolgen, die sich nicht mit der Botschaft Jesu decken.

Als der heilige Petrus die "Unbeschnittenen" vom Abendmahl ausschließen wollte, ist ihm der heilige Paulus gehörig an den Karren gefahren und hat ihn zurecht gewiesen. Es ist heute nicht anders. Wenn sich oben über Jahrzehnte nichts mehr bewegt, leiden die unten. Dann braucht es manchmal ein offenes Wort und oder eine mutige Tat, um wieder einen Schritt weiter zu kommen.

Frage: Sie sind ein katholischer Ordensmann, wie auch der Jesuitenpater Josef Bruhin, der am kommenden Samstag bei der gemeinsamen Abendmahl-Feier ebenfalls mitmacht. Welche Sanktionen müssen Sie allenfalls gewärtigen?
Anderau: Theoretisch könnte uns jemand bei der Glaubenskongregation in Rom verklagen; diese kann uns dann über unsere Ordensobern maßregeln lassen. Ein Bischof könnte uns zudem verbieten, in den Kirchen seiner Diözese Gottesdienste zu feiern, falls er meint, damit Gott einen Dienst zu erweisen.

Frage: Das Manifest geht an die Kirchenführer der christlichen Konfessionen. Was könnt ihr euch realistischerweise davon erhoffen?
Anderau: Realistischerweise muss ich sagen: Es wäre ein Wunder, wenn sich dadurch jemand in Rom auf dem Stuhl umdrehen würde. Wir sind bei weitem nicht die ersten, die solches tun und solche Schreiben verfassen. Man könnte ein ganzes Seminar bestreiten mit dem, was zu dieser Frage schon geforscht, gedacht und geschrieben wurde. Wichtig ist, dass man dran bleibt. Das gibt auch anderen Menschen die Kraft, trotz allem an das Gute in den Kirchen zu glauben und die Hoffnung nicht zu verlieren.

Hinweis: Dieses Interview wurde schriftlich geführt. (kipa/job)


Diese mutige Ankündigung erinnert uns an den Vorgang um den verstorbenen Leiter unserer Redaktion, Hermann Münzel, der im Jahre 2000 wegen einer solchen ökumenischen Konzelebration suspendiert wurde. Wir dokumentieren den Vorgang noch einmal.

Die Originale finden Sie hier: Erschienen in imprimatur Nr. 4/2000.

Hier ersparen Sie sich die Klickerei:

Norbert Sommer
Gemeinsame Mahlfeier mit drakonischen Strafen
In Hamburg zeigten die Bischöfe, dass sie von Ökumene nur reden, aber nichts halten

Am 5.6.2000 hat der Bischof von Trier Hermann-Josef Spital den Priester Hermann Münzel (65) „mit sofortiger Wirkung“ suspendiert und ihm „alle Akte der Weihevollmacht (untersagt)“.
Die Suspension ist vorläufig und gilt bis auf Widerruf. Hermann Münzel hatte beim Hamburger Katholikentag am 2.6.2000 an einer Ökumenischen Mahlfeier teilgenommen und sie zusammen mit der evangelischen Superintendentin Wallmann, mit dem altkatholischen Düsseldorfer Pfarrer Hoffmann und mit der hussitischen Bischöfin Sillerova aus Tschechien geleitet. Es ist nach dem katholischen Kirchenrecht verboten, einer derartigen Eucharistiefeier vorzustehen oder daran teilzunehmen.
Erlaubt sind nur Ökumenische Wortgottesdienste ohne Abendmahl. - Wir haben einen sachkundigen Journalisten, der nicht der Redaktion von imprimatur angehört, gebeten, den Vorgang um unser Redaktionsmitglied Hermann Münzel zu kommentieren. Norbert Sommer, leitender Redakteur beim Saarländischen Rundfunk (Kirche und Religion) (inzwischen verstorben) ist dieser Bitte gern nachgekommen. Er hat diesen Text an Pfingsten im Saarländischen Rundfunk gesprochen. - Red.


Die Bischöfe isolieren sich selbst

Es ist mehr als Enttäuschung – es ist Entsetzen, ja Zorn, was sich bestimmt nicht nur bei mir breit macht nach dem bischöflichen Machtwort im sogenannten „Fall Münzel“. Untersagung aller Akte der Weihevollmacht, d.h. Suspendierung von allen priesterlichen Funktionen – da haben wir sie wieder, die drohende, die strafende Amtskirche, die ansonsten beleidigt reagiert, wenn man sie so nennt. Hier aber wurde von Amts wegen gehandelt, unter Berufung auf das Kirchenrecht: Eine gemeinsame Eucharistiefeier mit nichtkatholischen Amtsträgern sei laut Kanon 908 des Kirchenrechts untersagt, ein Zuwiderhandeln sei nach Kanon 1365 mit einer gerechten Strafe zu belegen – basta.

Gerechte Strafe – welche Anmaßung!

Die Berufung auf das Kirchenrecht mag formal richtig und amtskirchlich perfekt sein. Doch wenn sich selbst Papst Johannes Paul II., der für die jüngste Fassung des Kirchenrechts verantwortlich ist, ständig über dieses Kirchenrecht hinwegsetzt, z. B. bei der Besetzung von theologischen Lehrstühlen oder bei Eingriffen in die Kompetenz der regionalen Bischofskonferenzen, dann müsste kein Bischof der Welt so reagieren wie der Trierer Bischof Hermann-Josef Spital es jetzt getan hat.

Disziplin, Unterordnung, Recht gegen ökumenische Ungeduld, Gewissen, Zivilcourage. Da wird der Trierer Priester Hermann Münzel öffentlich vom Bischof gedemütigt, an den Pranger gestellt, seiner priesterlichen Funktionen entbunden, weil er sich an etwas beteiligt hat, was der gemeinschaftsbildende Mittelpunkt des christlichen Lebens ist – die gemeinsame Mahlfeier.

Die Absurdität dieses Vorgangs wird noch deutlicher, wenn man ein anderes Beispiel für bischöfliche Reaktionen auf ungewöhnliches Handeln von Priestern zum Vergleich heranzieht. In der Vergangenheit ist es häufig vorgekommen, dass Priester, die sich sexuell an Kindern und Jugendlichen vergangen haben, nur versetzt wurden, nicht aber suspendiert. Was ist das für ein Rechtsempfinden, das Missbrauch als Kavaliersdelikt einstuft, eine gemeinsame Mahlfeier jedoch mit drakonischen Strafen belegt? Nicht nur die vielen hundert Gläubigen, die an dem umstrittenen ökumenischen Gottesdienst auf dem Hamburger Katholikentag teilgenommen haben, sondern wohl die Masse der Christen, - in Deutschland hat keinerlei Verständnis für das bestehende kirchliche Verbot ökumenischer Mahlgemeinschaft - und erst recht nicht für die jetzige Strafaktion gegen einen Priester, der sich nicht länger mit den theoretischen theologischen Spitzfindigkeiten in dieser Frage zufrieden geben wollte. Zumal es dabei ja nur um Streit um das Amtsverständnis und damit im Endeffekt um eine Machtfrage geht...

Die Täter von Hamburg, also auch Hermann Münzel, sind Überzeugungstäter. Sie gehen wohl zu Recht davon aus, dass ohne diese ökumenische Ungeduld, ohne das Ausbrechen aus den festgefahrenen Gleisen der gezähmten Ökumene, sich nichts bewegen wird. Zeichen setzen, Fakten schaffen, Reformen anpacken - nur so lassen sich die Kirchenführungen offensichtlich überhaupt noch reizen, endlich selbst etwas zu tun. Wir sind das Volk - diesen Slogan und die darauf aufbauende Massenbewegung der Menschen in der DDR haben damals die Kirchen auch unterstützt - die politische Hierarchie musste abdanken. Wir sind Kirche - diese Bewegung wird angesichts der jüngsten Vorfälle auf und nach dem Hamburger Katholikentag immer wichtiger, um den Bischöfen zu zeigen, dass dringend eine grundlegende Strukturreform der Kirche nötig ist, dass die Basis sich nicht länger gängeln lässt und dass die Bischöfe sich mit ihrem Kurs zunehmend selbst isolieren. Es muss endlich Schluss sein mit einer Kirche, in der die Mitarbeiter unter Druck gesetzt werden, in der Angst vor den kirchlichen Vorgesetzten das Klima bestimmt.

Ich finde es bedauerlich, dass Pfarrer Hermann Münzel offenbar dem massiven Druck nachgegeben hat und seine Teilnahme an der ökumenischen Mahlfeier bedauert und eine Wiederholung ausgeschlossen hat. Ich finde es bedauerlich, kann sein Handeln aber auch verstehen. Der Druck, die öffentliche Bloßstellung, der Entzug der priesterlichen Funktionen - das war zuviel. Das hat diesen Menschen in der Kirche kaputt gemacht, einen Priester, der engagiert und besonders von der Jugend akzeptiert ist, der Priester sein und bleiben möchte. Leider ist er nicht der einzige, mit dem man so umgeht in der katholischen Kirche. Als Erklärung für das Handeln von Bischof Spital kann man auch nur Druck von anderer kirchlicher Seite nennen - entschuldigen aber lässt sich die Strafaktion des Bischofs in meinen Augen dadurch nicht.


© imprimatur Oktober 2013
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