Karl-Heinz Ohlig
Eine erschütternde Bilanz
Zu: Rita Breuer, Im Namen Allahs? Christenverfolgung im Islam, Herder: Freiburg, Basel, Wien 2012, 159 S.

Die Islamwissenschaftlerin und Volkswirtin hat sich lange Jahre in der Entwicklungshilfe in islamischen Ländern engagiert, kennt also die dortigen Verhältnisse auch aus eigener Erfahrung.

In einem ersten Kapitel umreißt sie, wie Christen im Islam eingeschätzt werden sowie ihre Rolle im islamischen Staat. Im zweiten Kapitel geht sie auf die Islamisierung des Nahen und Mittleren Ostens ein, der zuvor eine weithin christliche Bevölkerung hatte, und schildert die Auffassung von den Christen im heutigen Islamismus. Dann schildert sie, im dritten Kapitel, die den Christen zugewiesene Rolle (beten und dienen), das Verbot einer christlichen Mission und die Probleme der zum Christentum Konvertierten. Das vierte Kapitel („Lebensrealitäten der Christen in der islamischen Welt“) beschreibt die oft unsäglichen Bedingungen, unter denen Christen in islamischen Ländern leben müssen, wenn sie nicht auswandern.

Für jeden, der nicht nur einer oberflächlichen und blauäugigen Multikulti-Mode anhängt, sondern sich sachlich informieren möchte, ist dieses Buch sehr hilfreich. Es ist keineswegs antiislamisch, wie Vorwürfe oft bei geringsten kritischen Anmerkungen lauten, sondern immer von Verständnis geprägt, aber es kann die Augen öffnen für ein angemessenes Verhalten. Abgesehen von den historischen Rückblicken der Autorin auf Mohammed und die Frühzeit des Islam, die gänzlich (und unkritisch) den muslimischen Vorgaben folgen, ist das Buch ein gründlicher und sachlicher Beitrag zur heutigen Diskussion.

Im Folgenden sollen einige Passagen sowohl den Duktus des Geschriebenen und auch den Einblick in das Thema dokumentieren.

Zur heutigen Situation

(S. 44) „Anfang des 20. Jahrhunderts erfuhren die Christen in allen Provinzen des Osmanischen Reiches einen zahlenmäßigen Aufschwung ... Diese Entspannung sollte allerdings nur von kurzer Dauer sein, hielt doch das späte 19. und mehr noch das frühe 20. Jahrhundert eine Reihe weiterer dramatischer Ereignisse zu Lasten der orientalischen Christen bereit, um schließlich in einer wahren Auswanderungswelle zu münden.

So leben in der Türkei heute noch etwa 150.000 Christen, das entspricht etwa 0,3 Prozent der Gesamtbevölkerung gegenüber 20 bis 25 Prozent vor 100 Jahren. ... (S.45) Behördliche Schikanen und tagtägliche Diskriminierung tun ihr Übriges, um christliche Türken in die Knie zu zwingen, sei es durch Auswanderung oder die Konversion zum Islam.

Eine Sonderrolle spielt auch im 20. Jahrhundert der Libanon ... Mitte des 20. Jahrhunderts zählt die libanesische Bevölkerung 53 Prozent Christen und 46 Prozent Muslime, doch bereits am Ende des 20. Jahrhunderts hatte sich der christliche Bevölkerungsanteil bei gut einem Drittel eingependelt ... (S. 46) ... Alles in allem führte diese Entwicklung dazu, dass heute nur noch etwa zwanzig Prozent des Libanon rein christlich besiedelt sind und die politische Vertretung der Christen infolge der zahlenmäßigen Entwicklung deutlich geschwächt wurde.

Im Irak sind von 1,25 Millionen Christen, die man dort vor 2003 zählte, heute noch maximal 350 000 bis 400 000 im Land. Trotz inständiger Aufrufe von Kirchenoberen, den Irak nicht zu verlassen und den Anfeindungen zu trotzen, werden es Tag für Tag weniger. ...
Aus Ägypten, einem Land, das schon lange unter massiver Abwanderung der Christen leidet, sollen allein seit dem Sturz Mubaraks im (S. 47) März 2011 über 100 000 Kopten emigriert sein ...

Neben der Emigration spielen für die demographische Entwicklung Konversionen zum Islam eine Rolle ... Die Eheschließung muslimischer Männer mit christlichen Frauen – seit jeher ein zentraler Faktor für die Islamisierung des Nahen Ostens – wird heute von islamistischen Gruppierungen geradezu empfohlen ...“ (weil die Kinder dann Muslime werden, Verf.).

Der sich ausbreitende Islamismus verschärft die Situation der Christen

Die 1928 gegründete (S. 51) „Muslimbruderschaft verbreitete sich rasch im ganzen Land (Ägypten, Verf.) und über die Grenzen hinaus und ist heute die wohl größte islamistische Organisation weltweit, vielfach vernetzt mit anderen extremistischen Strömungen, aus denen wiederum radikalere und militante Ableger hervorgingen.

Ihr Ziel ist die Islamisierung oder auch Reislamisierung der Gesellschaften des Nahen und Mittleren Ostens, die auf vielfältige Weise (S. 52) vom wahren Glauben abgekommen sind. ... Für die einheimischen Christen aber bedeutet die erneute Welle der Islamisierung von Staat, Recht und Gesellschaft das Aus für ihren Traum von einem Staatswesen, das die Bürger nicht länger nach Religionszugehörigkeit qualifiziert und unterschiedlich behandelt. An dessen Stelle trat eine immer gewichtigere Rolle der Scharia als Quelle der Gesetzgebung und des Islams als prägende Religion des Staates. ... Gleichbehandlung nicht-muslimischer Bürger kann es somit, allen (S.53) Beteuerungen zum Trotz, in einem explizit islamisch geprägten Staatswesen nicht geben. ...

Der weitgehend von der Muslimbruderschaft und ihren führenden Ideengebern beeinflusste islamistische Mainstream ist insofern als antichristlich anzusehen, als er die Gleichberechtigung der nicht-muslimischen Bürger als unislamisch ablehnt. ...

Deutlich feindseliger in der Betrachtung der Christen sind die extremistischeren Strömungen des Islamismus, namentlich die Wahhabiten und die Salafiten, die ideologisch vieles gemeinsam haben und ihren Einfluss erfolgreich über die gesamte muslimische Welt und bis in den Westen hinein ausdehnen. Zentral für beide Strömungen sind das wortgetreue Verständnis der Korans und die unbedingte Anwendung der Scharia. ...

(S. 55) Grundlegender Respekt gegenüber anderen Religionen ist dem Wahhabismus wie dem Salafismus fremd und gilt als Verrat am Islam. Bereits jeder Dialog, der ja auf wechselseitiger Achtung fußt, ist im Grunde eine Anerkennung dessen, dass auch der Gegenüber Anteil an der Wahrheit haben könnte. Das aber ist aufgrund der Letztgültigkeit des Islams nicht möglich. ...

(S. 56) Das Fazit dieser Haltung ist so schlicht wie erschreckend: kein normaler zwischenmenschlicher oder gar freundschaftlicher Kontakt zu Christen, kein Dialog, kein höflicher oder respektvoller Umgang ... Auch die Frage, ob ein Muslim einen Nicht-Muslim überhaupt grüßen darf, wird ernsthaft diskutiert. ...

(S. 58) Antichristliche Propaganda muss man in den meisten muslimisch geprägten Ländern nicht mehr hinter vorgehaltener Hand äußern, sie ist salonfähig und gehört vielerorts geradezu zum guten Ton. Sie rechtfertigt die Zielsetzung der Extremisten, die islamische Welt, so weit es (S. 59) geht, von den Christen zu befreien, sei es, indem man sie vertreibt – ein Projekt, das schon recht weit fortgeschritten ist –, sei es, indem man sie zum Islam bekehrt – ein Projekt, dem durch soziale Diskriminierung Demütigung, Nachteile am Arbeitsplatz und auf dem Wohnungsmarkt und politische Marginalisierung nachgeholfen wird. .. So entschied die von der Muslimbruderschaft dominierte ägyptische Ärztekammer 2008, dass es keine Organtransplantationen zwischen Personen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit geben dürfe. ...

Aber selbst in der vermeintlich säkularen Türkei hat sich die Stimmung innerhalb der Bevölkerung gegenüber den Christen in den letzten Jahren ... deutlich verschlechtert. ...

(S. 60) Im islamistisch-jihadistischen Denken führt die Aufhebung der Unterscheidung von Ungläubigen und Andersgläubigen auch zur Relativierung des Lebensrechts. ...“

Im Folgenden (vor allem ab S. 103) werden die Verfolgungen von Christen auf Grund der unsäglichen Blasphemiegesetzgebung von Algerien bis Pakistan und (ab S. 119) die massive Gewalt gegen Christen aufgezeigt, die zu einem fortdauernden Exodus der Christen führt.


© imprimatur Oktober 2013
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