Irmgard Rech
Die katholische Ämterapartheid als Verweigerung der Geschwisterlichkeit
Notwendig ist eine Aufarbeitung kirchlicher Schuld im Umgang mit den Frauen

Bis heute hat die katholische Kirche die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen nicht unterschrieben. In der rechtlichen Absicherung der Menschenwürde und der Geschlechtergerechtigkeit hat die Gesellschaft die Kirche moralisch längst überholt. Selbst in der Männerwelt der Banken wachsen die Bedenken, dass Frauen nicht länger von Führungsgremien ausgeschlossen bleiben dürfen. Während dort ernsthaft überlegt wird, wie Frauen nach ganz oben gelangen können, versucht die Männerkirche selbst das niedrigste Dienstamt, das Diakonat, für Frauen noch tiefer herabzustufen, damit sie für immer von den höheren Weiheämtern ausgeschlossen bleiben. Diakoninnen sollen nur gesegnet, jedoch nicht geweiht werden, erklärte vor der Papstwahl noch Kardinal Kasper. Im April 1994 wurde die Apartheid als Vorherrschaft der weißen Bevölkerung über die schwarze endgültig außer Kraft gesetzt. Im gleichen Jahr wurde durch Johannes Paul II. im Apostolischen Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ ein striktes Denk- und Diskussionsverbot über ein mögliches Priesteramt für Frauen verhängt. Während in fast allen Bereichen der Gesellschaft ein Gefühl für die Unmoral der Ungleichbehandlung von Frauen wächst, verharren führende Hierarchen in der Kirche auf einem machohaften Vorrechtsdenken, das sie nach wie vor vorgeblich mit göttlichem Recht theologisch untermauern. Neulich antwortete ein Weihbischof in einer Talkrunde im Fernsehen einer Theologiestudentin, die Priesterin werden will, ihr Berufungserlebnis sei zwar mit dem seinigen fast identisch, aber der biblische Befund stünde gegen ihre Weihe. Jesus habe nämlich nur Männer zu Aposteln gemacht. Dass Maria von Magdala vom auferstandenen Jesus einen ganz persönlichen Sendungsauftrag erhält, wird systemkonform aus dem biblischen Befund aussortiert.

Ein Papst ohne Prunk wird zum Glaubensbruder

Doch plötzlich ist vieles anders geworden in unserer von verstockten Hierarchen gelenkten Männerkirche. Der Heilige Geist hat uns einen Papst geschickt, der neue Weichen stellt. Er verzichtet auf den monarchisch-absolutistischen Kleiderpomp und wäscht und küsst jungen Strafgefangenen an Gründonnerstag die Füße. Darunter sind auch zwei Frauen. Nicht ein herrscherlich gesinnter Papst will Franziskus sein, sondern ein einfacher Glaubensbruder, der sich als Papst in immer neue Gesten der Demut einübt.

Wir Frauen fragen uns, was jetzt möglich werden könnte, wenn all der Kleiderprunk fällt? Wird dann Papst Franziskus auch für uns Frauen der ganz nahe Glaubensbruder werden, der sein Herz für seine Glaubensschwestern entdeckt? Wird es möglich werden, dass er, der als Argentinier aus einer noch machohaft geprägten Gesellschaft kommt, in der römischen Apartheid mit ihrem strikten Ausschluss der Frauen aus allen Ämtern endlich den Verrat an der Geschlechtergerechtigkeit wie an der Geschwisterlichkeit aller im Glauben erkennt? Soll es in der Kirche Jesu Christi weiterhin so bleiben wie in den männerdominierten Unrechtsgesellschaften, in denen die Frauen viel zu arbeiten, aber weniger Rechte und nichts zu sagen haben? Wenn in weiten Teilen der Welt Frauen vergewaltigt, verkauft, umgebracht oder bereits im Mutterleib getötet werden, dann ist zu fragen, ob eine Weltkirche, die Frauen aus allen durch eine besondere Weihe herausgehobenen Autoritätsämtern ausschließt, nicht auch auf ihre Weise zur Minderung der Frauenwürde in der Welt beiträgt.

Das christliche Abendland hat mitnichten eine Kultur geschaffen, in der die Männer den Frauen die gleiche Würde zuerkannt hätten wie sich selber. Sogar die Aufklärer haben das nicht getan. Auch für sie waren Menschenrechte Männerrechte. Wie andere Religionen auch hat das Christentum die Herrschaft des einen Geschlechts über das andere zugelassen und so die Augen vor dem Leid der Frauen verschlossen. Die Unterdrückung der Frauen durch die Männer, neben dem Krieg bis heute ein leidschaffendes Übel der Menschheit, ist von christlichen Theologen durch zwei Jahrtausende sogar als göttliche Ordnung festgeschrieben worden.

Die Frauen um Verzeihung bitten

Wenn Papst Franziskus das Verhältnis der Kirche zu den Frauen in ein neues Licht stellen wollte, dann müsste er zuallererst den Mut zu einem Schuldbekenntnis aufbringen. Er müsste die Frauen um Verzeihung bitten für alle Verweigerungen ihrer Rechte, z. B. auf Bildung und Selbstbestimmung, für die Verletzungen ihrer Würde – immer mussten sie sich männlicher Führung unterordnen, sowohl in den Klöstern (dort wurden sie klausuliert, hinter Mauern gesperrt) als auch in der Ehe - bis hin zu Folterung und Tötung als Hexen auf dem Scheiterhaufen. Nur ganze vier Frauen hat die Kirche zu Kirchenlehrerinnen gemacht. Wirklich gehört auf sie haben die Theologen nicht. Am allernotwendigsten aber wäre eine Abbitte dafür, dass die Frau mit Hilfe der biblischen Sündenfallgeschichte zur Verführerin des Mannes und zum Einfallstor des Bösen in die Welt gemacht worden war. Diese schlimmste Vergiftung des Geschlechterverhältnisses hat die Frau u. a. zum Sexualobjekt des Mannes werden lassen und ihr eine schmerzvolle Schwangerschaft und Geburt nach der anderen als von Gott verordnete Strafe aufgebürdet. Dieses Martyrium ist von Priestern in der Beichte meistens ohne jedes Mitgefühl den Frauen immer aufs neue abverlangt worden.

Dadurch, dass die geweihten Männer die Talente der Frauen missachtet haben, ist der Kirche als dem Leib Christi großer Schaden zugefügt worden. Das von Christus gewollte Heil konnte sich nicht in voller Fülle entfalten. Auch das muss in einem ehrlichen Schuldbekenntnis eingeschlossen sein und ausgesprochen werden.

Schluss mit der alten Priesterherrlichkeit

Eine zweite unabdingbare Forderung an eine Kirche, die ihr Frauenbild ändern will und über eine Amtsbeteiligung der Frau nachdenkt, wäre, ihr bisheriges Priesterbild infrage zu stellen. Erfreulicher Weise hat der neue Papst bereits damit begonnen, indem er die Priester auffordert, sich als Hirten unter die Herde zu mischen und den „Geruch der Schafe“ anzunehmen. Klingt das nicht nach dem Wunsch, mit dem Papstamt auch das Priesteramt zu vermenschlichen? Schluss mit der Heraushebung des „Geweihten“ aus der Gemeinde der „Nichtgeweihten“. Priester, die sich von den Menschen ihrer Gemeinden weiter abheben wollten, drohten zu „traurigen Priestern“ zu werden, die den Kontakt zu den Menschen verloren hätten, meint der Papst. Mit dieser elementar sinnenhaften Redeweise vom „Geruch der Schafe“, der den Priestern anhaften müsste, hat Franziskus schlagartig das von den Laien abgehobene dogmatisch überhöhte Priesterbild als ein verkehrtes entlarvt. Daraus lässt sich manches folgern, was die vergangene Priesterpastoral total aus den Angeln hebt. Muss der Dienst am Altar nicht erst durch den Dienst am Menschen seine Beglaubigung erfahren, wenn man es mit Jesus hält? Wer zu den Menschen geht, entdeckt ihre Freuden und Nöte und lernt ihr heutiges Denken und Fühlen kennen. Zugleich wird er entdecken, wie weit sich die männergeführte Kirche schon von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt hat. Können da nicht manche Frauen einfühlsamer auf Menschen zugehen? Warum sollten sie nicht Gemeinde leiten und predigen, wie es sich viele Gläubige wünschen? Ist es länger zu verantworten, dass in Gemeinden keine Eucharistie gefeiert wird, weil kein Priester da ist? Die Gemeinde feiert das Mahl mit Jesus, wer es leitet, muss von Jesus gepackt sein. Hängt das allein vom Mannsein ab und nur vom zölibatären? Viele Priester sind da schon offener in ihrem priesterlichen Selbstverständnis als mancher Bischof und lassen Frauen wie auch verheiratete Männer am priesterlichen Dienst teilhaben.

Statt Ämterapartheid geschwisterlich besetzte Ämter

Die vom neuen Papst geforderte Nähe der Priester zu den Menschen, ihr „Geruch der Schafe“, wird das Priesterleben entscheidend verändern. Ob Franziskus den Mut hat, seine Rede zu Ende zu bringen, wissen wir nicht. Nicht mehr der Erhalt des jetzigen kirchlichen Systems stünde im Vordergrund, sondern die Not und die Bedürfnisse der Menschen wären dann bestimmend. Für sie müssen neue Formen gemeindlichen Lebens erfunden werden, die nicht mehr priesterzentriert wären. Und dafür ist das geschwisterliche Zusammenwirken von Frauen und Männern erforderlich, und zwar in Ämtern mit neuem Profil.

Die Ämterapartheid schnellstmöglich aufzubrechen, und das nicht allein aus der Not des Priestermangels, das ist keine zweit- oder drittrangige Forderung, die aufschiebbar wäre, weil anderes dringlicher zu sein scheint. Bleiben die Frauen weiterhin von den Ämtern ausgeschlossen, entfernt sich die katholische Kirche immer weiter vom Rechtsbewusstsein der demokratisch entwickelten Gesellschaften. Sie wird nach dem Missbrauchsskandal weiterhin an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie für die Gesellschaft Gerechtigkeit und Solidarität predigt, selber aber noch nicht einmal die Geschlechtergerechtigkeit praktiziert. Und sie wird immer mehr Frauen verlieren. In einer Kirche, in der nur Männer das Sagen haben, werden sich heutige Frauen aufgrund ihres endlich gewonnenen Selbstwertgefühls niemals zu Hause fühlen können. Doch das Schwerwiegendste ist, dass sie nicht weiter Jesus verrät und endlich den Frauen in derselben Hochschätzung begegnet, mit der Jesus ihnen begegnet ist.


© imprimatur Juli 2013
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