Erhard Bertel
Reformerwartungen an die Führung der Kirche in Deutschland erlahmen
Hilft nur ein Austausch der Bischöfe?

„Hätten Sie das für möglich gehalten. Die Öffentlichkeit wartet auf das Ergebnis der Wahl des Papstes. Es wird spekuliert, wo er herkommen wird, wie alt er sein wird, ist er konservativ oder doch eher progressiv? Kann ein neuer Papst überhaupt etwas verändern, was sich in Jahrhunderten im und um den Vatikan herum entwickelt hat“?

So und ähnlich lauten Fragen, die mir nach der Papstwahl gestellt wurden. Die Medien halten diese Fragen am Kochen. Und dann passiert etwas Unerwartetes.
Da kommt ein Mann auf den Balkon in Rom, er „tritt nicht auf“. „Normales Schuhwerk“ an den Füßen, keine „Maske“ im Gesicht, an der man die Bedeutsamkeit seiner Person ablesen soll, kein Gehabe um irgendwelche Kleider und Umhänge, die seine Autorität unterstreichen. Da steht jemand, begrüßt die Wartenden mit einem „Guten Abend“, sagt ein paar Worte, die man eben so sagt und bittet darum, dass sie für ihn beten, ihm helfen sollen bei der Bewältigung seiner Aufgaben, die er als „Bischof von Rom“ übernommen habe. Er gibt sich einen Namen, der bisher nicht im Katalog der Papstnamen stand und stellt sich als „Franziskus“ vor, mit all dem, was Katholiken mit diesem Namen assoziieren.

Ein solcher „Wandel“ in der Sicht des „Papstamtes“ ist nur möglich, wenn jemand von „außen“ kommt, den das vatikanisch-päpstliche Machtgefüge nicht schon geprägt und bestimmt hat. Man denke nur an einen Benedikt, der lange Zeit Teil des römischen Systems war, ausgestattet mit viel Macht. Wurde er nicht schon deshalb gewählt, damit alles beim Alten bleibt?

Der „Neue“ aus dem fernen Südamerika setzt Signale, die Veränderungen verheißen. Ob er mit dieser Sicht durchhalten kann, beginnen einige Wohlwollende zu bezweifeln. Aber man wird sehen. Wir haben in diesem Heft Zitate, die aus dem Mund des neuen Papstes stammen, von denen man insgesamt sagen kann: diese Zitate wären dem pensionierten Papst niemals in den Mund gekommen. Während er lieber Gedanken äußerte, die er in seiner Theologie erarbeitet hatte, erzählt der Nachfolger etwas davon, was er im Leben mit anderen gelernt und was ihn geprägt hat. Eine neue Sicht von Evangelisierung tut sich da auf. Es ist nicht die Kunst, das, was eine höher geweihte Männerschar als richtig erkannt hat, Unwissenden zu vermitteln. Neuevangelisierung wäre es eher, dass die Oberkirche das Leben der Menschen kennenlernt und staunend sieht, wie diese ihr Leben bewältigen und welche Gedanken ihnen bei ihrem Handeln wichtig sind.

Wer einen Glaubwürdigkeitsschub für die deutsche Kirche erwartet, könnte auf die Idee kommen, dass auch auf der Ebene Deutschlands die bisherigen Bischöfe ausgetauscht werden müssten, wenn eine Stimmungsaufhellung erreicht werden soll. Nicht weil die jetzigen Amtsinhaber böse oder unfähig auf ihre Art sind, sondern weil sie zu wenig vom Leben der Menschen verstehen. Weil sie meinen, ein System repräsentieren zu müssen, das sie auf einen „Thron“ gebracht hat und in Vasallentreue zur Zentrale in Rom verpflichtet. Woher kommen die jetzigen Bischöfe und welche Qualifikation bringen sie mit?

Da wird ein Seminarist von seinem Ortsbischof nach Rom zum Studium geschickt. Schon kommt er als Bischof in den Blick. Da managt ein junger Priester eine „Heilig-Rock-Wallfahrt“ oder leitet ein Priesterseminar, schon ist er als Bischof qualifiziert. Da kennt man einen Freundeskreis von Klerikern, etwa um Kardinal Meisner in Köln, da müssten doch die Richtigen zu finden sein, die als Bischöfe in Frage kommen.

Wer schlägt sie vor? Wer hat Einfluss auf die Ernennungen? All das ist geregelt, sogar mit Konkordat. Und so ergibt sich ein „Einheitsbrei“ von ähnlich denkenden Personen und diese wählen sich einen Vorsitzenden, der niemandem weh tun und für alle sprechen darf. Wie sollen auf dem Hintergrund eines solchen Werdeganges, sicher vereinfacht dargestellt, eine menschlich positive und untypische Gestalt als Bischof gekürt werden, der eine Lebensform praktiziert, die sympathisch auf diejenigen wirkt, die nun mit einem solchen Bischof leben und mit ihm zusammen Verantwortung für Teilbereiche der Kirche übernehmen sollen?

So naiv das alles klingen mag, es hilft zu verstehen, warum die katholische Kirche in Deutschland tief gespalten ist. Da sind diejenigen, die wissen, was Kirche bedeutet, die wissen, worüber man reden soll oder darf und worüber nicht. Da spüren natürlich auch Bischöfe, dass es ja so gar nicht weitergehen kann. Und sie rufen zu einem Dialog auf, dann doch eher zu einem Gespräch. Sie haben formaldemokratische Gremien geschaffen, die sie als Gesprächspartner akzeptieren, allerdings nur zu Themen, die sie festlegen und darüber bestimmen, wie Ergebnisse umgesetzt werden, oder nicht. Bischöfe, die „aus dem Volk“ kämen, die um das Leben der Menschen wüssten, würden wahrscheinlich andere Wege finden, wie man zusammen kommt und gute Ergebnisse in einem gemeinsamen Bemühen erzielt.

In deutschen Bistumszentralen haben wir heute einen oft aufgeblähten Apparat mit „Fachleuten“, unter ihnen natürlich auch Frauen, die an ihren Schreibtischen immer neue Pläne entwickeln, wie es flächendeckend mit der kirchlichen Organisation weitergehen kann, bei immer weniger Klerikern, die als „Verantwortliche“ das letzte Sagen haben. Die wenigen Priester, die vor Ort als Manager eingesetzt werden, um die Großgebilde von Pfarreiungetümen zu bewältigen, leiden zunehmend an der Ferne zu den konkreten Menschen, die in diesen Großraumgebilden leben. Ständige Konferenzen werden unter den Verantwortlichen angesetzt, damit das jetzige Konzept einigermaßen zu bewältigen ist.
Aber könnte es nicht sein, dass die gleichen Bischöfe, die vorher an das benediktinische System angepasst waren, jetzt eine Wende zur Anpassung an das Franziskus-Image vollführen (unabhängig von der persönlichen Überzeugung). Bei einigen Äußerungen deutscher Bischöfe kann man verwundert aufmerken:
Da wird von der „Kirche der Armen“ gesprochen, obwohl das prunkhafte Gewand noch nicht in der Truhe verschwunden ist und die Kirchensteuer-Einnahmen ein beruhigendes Polster sind. Da schämt sich der eine oder andere jetzt doch über einen prunkvollen und überteuerten Bischofsthron in seiner Kathedrale, auf den Einzug in eine Residenz, die so gar nicht der „Casa Santa Marta“, dem jetzigen Wohnsitz des Papstes, entspricht.

Peter Zürn hat in einem Aufsatz in „Bibel und Kirche“, 2. Quartal 2013, „Da schickte Gott einen Wurm…“ die Bedeutung von Regenwürmern in der ökologischen Landwirtschaft gegenüber der konventionellen Landwirtschaft als Vorbild für die Pastoral genommen:
„Einer davon ist die signifikant höhere Zahl von Regenwürmern pro Quadratmeter Boden. Regenwürmer sind ein Segen für den Boden und die Pflanzen. Sie lockern Verkrustungen im Boden und sorgen dafür, dass Wasser und darin gelöste Nährstoffe besser zu den Wurzeln gelangen. So fördern sie das Wachstum der Pflanzen.
So wurden uns die Würmer zu Vorbildern der biblischen Beseelung der Pastoral. Auch sie schafft Raum, um mit den eigenen Wurzeln in Verbindung zu kommen und trägt dazu bei, dass fruchtbare und nährende Kräfte fließen. Wir stießen sogar in der Bibel auf einen Wurm, der im Auftrag Gottes arbeitet. In Jona 4,7 heißt es: „Da schickte Gott einen Wurm ..." Das Buch Jona lässt sich lesen als Seelsorge Gottes an Jona. So ist der Wurm hier seelsorgerlicher Mitarbeiter Gottes. Sein Wirken macht deutlich, dass es auch zur biblischen Beseelung gehören kann, Dinge zum Absterben und zum Einsturz zu bringen, die uns von unserer Berufung abhalten.“

Wenn wir die Sicht der Kirche in unseren Tagen so sehen lernen, dann freuen wir uns darüber, dass „der Wurm drin ist“. Wünschen wir der Weltkirche, besonders aber auch der deutschen Kirche, viele Würmer, die in einer verkümmerten Kirche wieder eine Kirche mit Wachstum nach innen werden lassen.


© imprimatur Juli 2013
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