Die Glosse

Rauschheim, am Tag nach der
Bischofskonferenz von Trier

Lieber Sepp,

Heut steht tatsächlich in der Zeitung: „Die Deutsche Bischofskonferenz gestattet die Pille danach“. Und ausgerechnet der Pillenbekämpfer, Kardinal Meisner, wär jetzt der Vorreiter von denen, die wo die Pille genehmigt hätten. Das ist auch so ein „Jenachdemer“! Wie soll unsereiner sich diese Kehrtwende erklären? Wenn du als Bischof und Kardinal wegen dem Druck von der Öffentlichkeit Angst um die Genehmigung hast, weiterhin Krankenhäuser betreiben zu können, dann springst Du schon mal über deinen eigenen Schatten. Dann trompetest Du sogar das Selbstverständlichste von der Welt wie eine Großmutstat in die Öffentlichkeit: „Wir helfen in unseren Krankenhäusern auch Vergewaltigten!“

Sepp, auf der Bischofskonferenz von Trier, haben ohne Beteiligung einer einzigen Frau, also ausschließlich männliche Hierarchen, entschieden, ob die Frauen bei einer Vergewaltigung die Pille danach bekommen oder nicht. Mir ist die Wut von meinem Vater eingefallen, wenn unser Pastor in den Hungerjahren nach dem Krieg sonntags auf die Kanzel gestiegen ist und aus eigener „Machtvollkommenheit“ verkündigt hat: „Das Getreide darf wegen der Sonntagsruhe heute nicht eingefahren werden!“ Was war das ein Gegrummel durch die ganze Kirch! Die Garben waren grad trocken zum Heimholen, und es ziehen schon Wolken am Himmel auf, und bis zum Nachmittag gibt’s nach aller Erfahrung ein Gewitter. Danach müssten die Garben wieder von den Kasten weggeholt und zum ersten Trocknen auseinandergestellt werden, später wieder zu Kasten zusammengerückt. Wer weiß, womöglich regnet es sich ja ein, und alle Mühe vom Säen im Frühjahr an war für die Katz, am Ende wächst das Getreide aus, fault auf dem Feld und es kann nur noch an das Vieh verfüttert werden. Für einen – wie Du als Gewerkschafter sagen tätst – „Nebenerwerbsbauern“ hieß das dann: dem fehlte für ein ganzes Jahr Mehl zum Brot- und Kuchenbacken. Sein Leben war wegen der anmaßenden Entscheidung des Pastors armseliger.

Bei der damaligen Macht der Kirche traute sich keiner im Dorf, sein Getreide gegen die Anordnung vom Pastor heimzuholen genauso, wie auch die Ärzte von den zwei Kölner Kliniken zu feige waren, sich nach ihrem ärztlichen Gewissen für die Notfallbehandlung der vergewaltigten Frau zu entscheiden.

Mir kommts vor: Unser Pastor von damals hatte vom Ackerbau grad so viel Ahnung wie die heutigen Bischöfe von Vergewaltigung und dem Einsatz der Pille danach. Beide aber treten sie auf wie Graf Koks, als wäre ihre Anordnung unumstößlich und müsst unbedingt befolgt werden. Kommst am Donnerstag zu mir in die Werkstatt! Dieses heikle Thema sollten wir bei einem Kasten Fastenbock zu zweit vertraulich verhandeln!

Dein Joseph

P.S.: Sepp, also, Du meinst doch auch, die zölibatären Hierarchen, haben von der Gynäkologie der Frau genau so wenig Ahnung wie sie unser Pastor vom Ackerbau hatte. Uns gewöhnlichen Christen aber wird bis dato eingebläut, durch die Bischöfe wie durch den Pastor spricht zu euch das Lehramt der Kirche. Unter uns gesagt, denen ihre Überheblichkeit ist so ahnungslos, als wie wenn ein Brückenbauer, der wo sein Leben lang nur mit dem dicken Hammer gearbeitet hat, sich als Fachmann für Reparaturen von Taschenuhren aufspielen tät.


© imprimatur März 2013
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