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45. JAHRGANG
 
22 . Sept. 2012


INFORMATIONSDIENST DER ARBEITSGEMEINSCHAFT VON PRIESTER- UND SOLIDARITÄTSGRUPPEN IN DEUTSCHLAND (AGP) 2012 / 6

Was bewegt die AGP?

Wie schon oft nach der Jahresversammlung berichtet wurde, bieten die AGP-Gruppen ein recht unterschiedliches Bild. Die Mitgliederzahlen schwanken zwischen 10 und 300, die Anzahl der Treffen zwischen monatlich und einmal im Jahr. Einfluss auf die Entscheidungen auf Bistumsebene können nur noch wenige nehmen, diese z.T. aber durchaus intensiv, z.B. durch eine starke Vertretung in den verschiedenen Bistumsgremien. Einige Gruppen geben auch regelmäßige Informationsbroschüren heraus. Insgesamt haben sich die Gruppen auf einem bestimmten „Wirkungsniveau“ stabilisiert.

Auch wenn soziale Projekte vor der eigenen Haustüre und weltweit unterstützt werden, steht doch die Beschäftigung mit eher innerkirchlichen Fragen im Vordergrund. Die Vorgänge in Österreich, die Verhandlungen des Vatikans mit den Piusbrüdern, die inhaltliche Gestaltung des geplanten „Gotteslobes“, der Dialogprozess, die Bildung von Großpfarreien u.ä. sind Stichworte für Diskussionen und Reaktionen.

Auf eine Reaktion einigte sich die Jahresversammlung. Man war der Meinung, dass es gut sei, sich ausdrücklich mit der Österreichischen Pfarrerinitiative und der Aktionsgemeinschaft Rottenburg und ihren „Positionen zum Dialogprozess“ zu solidarisieren (Stellungnahme s.u.; „Positionen“ werden in den SOG-Papieren 2012/6 dokumentiert.). Beide Initiativen gewinnen ihr Bedeutung nicht durch die auch von der AGP schon seit über 40 Jahren erhobenen Forderungen, sondern durch das Bekenntnis zu einer diese Forderungen in die Praxis umsetzenden Pastoral. Die Teilnehmenden der JV betonten, dass es dabei eigentlich um einen Akt des Gehorsams gehe, der von der Hierarchie in einer unstatthaften Gleichsetzung von Gehorsam Gott und ihr gegenüber als Ungehorsam qualifiziert wird – und missverständlicherweise auch von der österreichischen Pfarrerinitiative im Blick auf die kirchliche Gesetzgebung so bezeichnet wird. Die Stellungnahme wurde mit zwei Gegenstimmen verabschiedet.

In den letzten Wochen hatten einige Gruppen sich schon zu der drohenden Streichung der Oosterhuis-Lieder in der nächsten Ausgabe des „Gotteslobs“ geäußert, so der Freundeskreis SOG-Paderborn in einem Brief an Erzbischof Zollitsch und die AG-Rottenburg (Vgl. auch SOG-Papiere 2012/3). Die aktuelle Entscheidungssituation scheint nicht ganz eindeutig zu sein. Es ist aber notwendig, dass sich die Gruppen in ihren Bistümern die Initiative ergreifen, damit die Lieder von Oosterhuis und anderen modernen Autoren und Komponisten zumindest in den Diözesanteil Gesang- und Gebetbuchs aufgenommen werden.

Ein weiterer Tagesordnungspunkt betraf die Arbeit der AGP. Hier war besonders der entlastende Hinweis hilfreich, dass die AGP nicht für oder gar anstelle der Gruppen agieren muss, sondern ihre Rolle auf den Gedankenaustausch, vor allem bei der JV, und die Informationsarbeit beschränken sollte. In dieser Funktion sei sie nicht überfordert und weiterhin nützlich. Allgemeiner Konsens bestand darin, die Arbeit während der Zeit der Konzilsjubiläen und des Dialogprozesses fortzusetzen, also wenigstens bis 2015. Damit wird auch einem ausdrücklichen Wunsch seitens der IKvu entsprochen. Für das nächste Jahr werden Edgar Utsch und Andreas Krause weiterhin als Sprecher tätig sein.

Die Herausgabe der SOG-Papiere bleibt allerdings ein Problem. Hier ist dringend die Mitarbeit der Gruppen und Einzelner notwendig, damit Carl-Peter Klusmann von seiner Aufgabe als ständiger Redakteur entlastet werden kann und das AGP-Mitteilungsorgan nicht die Privatpostille einer Person wird.

Norbert Arntz stellte den Stand der Vorbereitung der ersten konziliaren Versammlung vom 18. bis 21. Oktober 2012 in Frankfurt vor. Die Arbeit wird federführend von Personen des Münsteraner Instituts für Theologie und Politik geleistet. An den Workshops werden sich auch Gruppen der AGP beteiligen. Der Freckenhorster Kreis wird sein Projekt „Wo zwei oder drei...“ zu priesterlosen Gottesdiensten / Mahlfeiern vorstellen. Werner König und Norbert Keller haben sich bereit erklärt, einen Workshop zu den Einflussmöglichkeiten der Kirchvorstände bei der bzw. gegen die Schließung von Gemeinden durchzuführen. In der AG-Rottenburg wird überlegt, wie man die eigenen Erfahrungen mit der bistumsinternen Reformarbeit, auch bei eindeutig kritischer Positionierung (s, „Unsere Positionen zum Dialogprozess“), in einem Workshop vermitteln kann. Ein Großteil der Teilnehmenden beabsichtigt, an der konziliaren Versammlung teilzunehmen.

Die Vorschläge zur Thematik der nächsten JV blieben in diesem Jahr recht vage. Zunächst wurde darum gebeten, das Thema dieses Jahres wegen seiner Bedeutung fortzusetzen. Andere Vorschläge gingen dahin, angesichts der kontroversen, Weichen stellenden Entscheidungssituation „die Kirche“ zum Thema zu machen. Die Regionalkonferenz NRW wird wieder das endgültige Thema festlegen und die Organisation übernehmen.

Ut

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Aktionsgemeinschaft Rottenburg:

Unsere Positionen im Dialogprozess

Wir sind eine Gruppe von Priestern und Diakonen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart,

Wir wünschen uns eine Kirche,

Deshalb setzen wir uns dafür ein

Die Aktionsgemeinschaft Rottenburg (AGR) wurde am 5. März 1969 in Esslingen-Pliensau von 170 Priestern gegründet. Heute hat die AGR 154 Mitglieder.

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Aus der Praxis

Kürzlich stand ich vor einem Problem, ein neugeborenes Kind sollte getauft werden. Das hatte es selbstredend nicht selber gewünscht, sondern nach längerem Zögern war das Wunsch der Eltern. Beide waren aus „gut katholischem Hause.“ Ich kannte die Familien recht gut, stand ihnen persönlich nahe und wusste auch (im Großen und Ganzen) um deren ursprüngliche Bedenken.

Mein Problem bestand darin, in dieser Situation die passenden Texte und Worte zu finden, eine Verlegenheit, die anderen nicht unbekannt sein dürfte. Auf Vorschlag von Kollegen berichte ich deshalb an dieser Stelle über die Lösung, zu der ich gekommen bin. Es versteht sich, daß die Taufe korrekt und gegenüber den Überzeugungen der Beteiligten loyal vollzogen wurde. Zunächst die Frage nach einer passenden Lesung: Ich habe mich für Verse aus Psalm 115 entschieden.

Warum sollen die Völker sagen: »Wo ist denn ihr Gott?« Unser Gott ist im Himmel; alles, was ihm gefällt, das vollbringt er. Die Götzen der Völker sind nur Silber und Gold, ein Machwerk von Menschenhand. Sie haben einen Mund und reden nicht, Augen und sehen nicht; sie haben Ohren und hören nicht, eine Nase und riechen nicht; mit ihren Händen können sie nicht greifen, mit den Füßen nicht gehen, sie bringen keinen Laut hervor aus ihrer Kehle. Die sie gemacht haben, sollen ihrem Machwerk gleichen, alle, die den Götzen vertrauen.

Hinweise auf den Exodus, auf die Befreiung aus babylonischem Exil etc. können bei der Tauffeier die Lesung erläutern und damit den Glauben des Psalmbeters an den eigenen Gott verdeutlichen, der vollbringt, was ihm (und Israel) gefällt. So wurde es nämlich damals gesehen.

Was ist heute daraus geworden? Historische Erkenntnisse haben längst erwiesen, dass die „Großtaten Gottes“ recht bescheiden, vielleicht sogar bloß Produkte frommer Erinnerungen waren. Vor allem erscheinen uns die Verwünschungen derer, die „Götzenbilder“ gemacht haben und (entsprechend) derer, die heute anderen Glaubens sind als wir selbst, unchristlicher Fanatismus und Ausdruck von Intoleranz zu sein. Dafür soll eine Taufe sicher nicht den Startschuss geben.

Wir können und sollten den Bibeltext jedoch einmal anders, nämlich selbstkritisch lesen und uns fragen: Wer oder was ist denn „unser Gott“? Martin Luther betont: „Ein Gott heißt etwas, von dem man alles Gute erhoffen und zu dem man in allen Nöten seine Zuflucht nehmen soll... Worauf du nun, sage ich, dein Herz hängst und [dich] verlässt, das ist eigentlich dein Gott.“

Das ist eine wichtige Antwort, wenn Eltern sich Rechenschaft ablegen, in welche Richtung sie ihr Kind erziehen wollen: Zu erfahren, dass die Schätze dieser Welt und die irdischen Mächte niemals das Höchste und damit unser Gott sein können. Viele Theorien und Doktrinen in den Religionen sind entbehrlich, wenn diese Überzeugung festgehalten und praktiziert wird.

Kinder wissen zwar, dass vieles für den Lebensunterhalt auf dem Markt oder im Geschäft gekauft werden muss. Sie werden aber auch schon verstehen können, dass wahres Glück nicht käuflich ist. Beispiele dafür, was jeder Mensch vor allem zum Leben braucht, liegen auf der Hand, Freundschaft, Liebe usw. Dazu gehört immer wieder auch, den eigenen Besitz miteinander zu teilen. Damit können Eltern ohne Bedenken ihren Kinder helfen, einen Ausweg aus einer Welt zu finden, die mit allen Mitteln uns ständig gefangen zu nehmen droht.

Karl Marx hat sie unverblümt so beschrieben:
„Die Bourgeoisie, wo sie zur Herrschaft gekommen, hat kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übrig gelassen als das nackte Interesse, als die gefühllose „bare Zahlung“. Sie hat die persönliche Würde in den Tauschwert aufgelöst und an die Stelle der zahllosen verbrieften und wohlerworbenen Freiheiten die eine gewissenlose Handelsfreiheit gesetzt. Sie hat den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der Wissenschaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt.“

Wie weit Marx mit seiner Vision aus dem Jahre 1848 inzwischen recht bekommen hat, mag jeder für sich beantworten. Mir scheint jedoch, dass Marx Unrecht hat, wenn er fortfährt, auch das Familienverhältnis würde auf ein reines Geldverhältnis zurückgeführt. Abgesehen vielleicht von vergleichbaren engen Freundschaften sind bisher (noch?) die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, zumal unmündigen Kindern, häufig vielleicht die einzige Alternative zu unserer Geldgesellschaft.

Im Zusammenhang mit der Taufe mag sich mancher fragen, was das alles noch mit Christentum zu tun habe. Dabei denkt er vielleicht an vieles, was er selbst in seiner Jugend noch geglaubt oder wenigstens gelernt hat. Eine wohl heute noch nicht generell zu beantwortende Frage: Was bleibt, wenn ein Zeitgenosse die Requisiten seiner religiösen Vergangenheit großenteils über Bord geworfen hat, aber etwas noch festhalten und seinen eigenen Kindern weiter „vererben“ möchte?

Ich fand ein Wort von Dostojewski sehr hilfreich. Kurz nach seiner Entlassung aus dem sibirischen Zuchthaus (im Februar 1854) hat Dostojewskij in einem Brief geschrieben: „Wenn mir jemand bewiese, dass Christus außerhalb der Wahrheit sei, und wenn es wirklich so wäre, dass die Wahrheit außerhalb von Christus ist, so möchte ich lieber mit Christus bleiben als mit der Wahrheit." Die Wahrheit, von der Dostojewskij hier redet, erläutert Ludolf Müller, bei dem ich dieses Zitat fand (in TRE 9,164f), ist nicht irgendein theoretischer Satz, sondern die Wahrheit von der Existenz Gottes: Wenn Christus mit seinem Glauben, dass es einen Gott gibt, theoretisch nicht recht haben sollte, so wäre es besser, aus diesem Glauben ein Leben zu führen, wie Christus es gelebt hat, als ohne diesen Glauben den Sinn und die Würde des Menschen zu verlieren.

cp

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Gert Schneider †

Obwohl Gert Schneider sich aus persönlichen Gründen seit etlicher Zeit aus der aktiven Arbeit der SOG-Paderborn und der AGP zurückgezogen hatte, löste doch die Nachricht von seinem Tod bei den Teilnehmern der Jahresversammlung im Heppenheim spürbare Betroffenheit aus. Am Pfingsttag ist Gert Schneider nach langer Krankheit verstorben.

Schon die frühe Lebensgeschichte des Verstorbenen war bemerkenswert. Geboren 1938 in Dresden, siedelte er nach Entstehung der DDR mit seiner Familie in den Westen über. In jungen Jahren trat er zur katholischen Kirche über und studierte Theologie. Anders als in vergleichbaren Fällen war er jedoch stets ein kritisches Mitglied der Kirche. 1966 wurde er Priester und war (wie im Bistum Paderborn vorgeschrieben) bis ins Alter von 70 Jahren als solcher tätig. Zuletzt, als Pfarrer im Ruhestand, leistete er noch Aushilfe (als Subsidiar) in Mettmann, einer rheinischen Gemeinde.

Gleichzeitig mit der Gemeindetätigkeit verfasste er eine Arbeit zum Thema „Religiöse Grundbedürfnisse“ und wurde 1981 in Münster zum Dr. theol. promoviert. In der Selbstorganisation religiöser Bedürfnisse sah er eine Alternative zu rein deduktiven Konzepten. Zusammen mit einer angemessenen Eigenständigkeit gegenüber kirchenamtlicher Reglementierung ergab sich ihm ein Programm der Gemeindeerneuerung, für deren Verwirklichung er in der Diözesanleitung jedoch kaum Unterstützung fand.

Wiederholt wurde er, zeitweise für mehrere Jahre, zum Vorsitzenden der SOG gewählt. Zweimal war er auch einer der Sprecher der AGP.
Aus seiner Zeit als Vorsitzender ist ein „Memorandum“ der SOG aus dem Jahr 1986 besonders in Erinnerung. Die Federführung von Gert Schneider spiegelt sich auch in dessen Hauptpunkten deutlich wider. Die Rede war zunächst von dem zunehmenden bürokratischen Zentralismus in der Kirche. Die oberkirchlichen Vorbehalte in der ökumenischen Arbeit wurden deutlich benannt. Die Halbherzigkeit der Kirchenleitung in der Friedensarbeit wurde beklagt und das oft fragwürdige Verhältnis der offiziellen Kirche zu den damals neuen Medien beleuchtet.

SOG, AGP und viele andere erinnern sich an Gert mit Dankbarkeit! cp

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