Karl-Heinz Ohlig
Das römische Ende der Aufklärung?
Die Meinung des päpstlichen Schülerkreises

Anscheinend treffen sich jährlich in Castel Gandolfo die (ehemaligen) Schüler des (ehemaligen) Professors Josef Ratzinger. Was da alles so besprochen wird, dringt im Allgemeinen nicht „nach draußen“, was wohl so auch gut ist.

Dieses Mal hat einer der Teilnehmer zwar keine Einzelheiten, aber immerhin eine grundlegende Gemeinsamkeit der diesjährigen Tagung mitgeteilt. Dieser Teilnehmer ist Ulrich Wilckens (geb. 1928), evangelischer Professor für Neues Testament und von 1981 bis 1991 sogar Bischof des Sprengels Holstein-Lübeck in der Nordelbischen Evangelischen Kirche. Offensichtlich ist er mit Josef Ratzinger befreundet. Laut einem Bericht der FAZ, auf deren Zuverlässigkeit wir in diesem Zusammenhang setzen, war er „vom heutigen Papst als erster Protestant, der ein Bischofsamt bekleidet ... hat,“ zur Teilnahme und zu einem Vortrag eingeladen worden.

Ulrich Wilckens berichtete hinterher, „alle Teilnehmer seien sich einig gewesen, dass die Kirchen gemeinsam dafür eintreten sollten, dass die bis in die Gegenwart reichenden Folgen der Aufklärung überwunden werden.“ Der Schülerkreis (oder nur Wilckens?) war sogar der Meinung: „Die Kirchen sollten ein gemeinsames Schuldbekenntnis im Blick auf die Entstehung der Aufklärung und ihrer Wirkung bis in die heutige Zeit ablegen.“

Solche Überzeugungen hätte man eher von einer Tagung des Opus Dei oder der Pius-Bruderschaft (usw.) erwartet. Aber doch nicht vom Schülerkreis des heutigen Papstes, angeblich einer der besten – wenn nicht: der beste – der zeitgenössischen Theologen!

Oder doch? Jedenfalls scheint es sich nicht nur um die Meinung unbedarfter oder übereifriger „Schüler“ gehandelt zu haben. Vielmehr entspricht diese These völlig dem, was Ratzinger/Benedikt XVI. in seinen bisherigen Jesusbüchern methodisch praktiziert und geschrieben hat und in dem noch ausstehenden über Geburt und Kindheit Jesu schreiben wird.

Wenn ein solches Vorhaben Karriere machen sollte, geht die katholische Theologie – sowie ein kleinerer, bisher nicht unbedingt repräsentativer Teil der evangelischen Theologie – einer bemerkenswerten Zukunft entgegen. Wer noch weiterhin der Meinung ist, zum Glauben müsse „die Vernunft“ – nicht nur, wie Benedikt meint: die griechische Vernunft – hinzutreten und nur so sei er heute und in Zukunft für viele lebbar, lädt wohl Schuld auf sich, für die die Kirchen Abbitte leisten müssen (was sich wohl als erstes in der Ächtung des Schuldigen auswirken wird). Immerhin wird es dann eine interreligiöse methodische Gemeinsamkeit geben – mit der Theologie der Mullahs.


© imprimatur Dezember 2012
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