Die Glosse

Rauschheim bei aufziehenden Gewittern

Lieber Joseph,

zuerst dachte ich „o weh!“ wie ich gehört hab, der streitbare Regensburger Bischof Müller wird alleroberster Glaubenshüter der Katholischen Kirche im Vatikan. Dann kam mir der Gedanke, jetzt wird sich zeigen, wie weit der Bischof Müller Bayer geworden ist. Ist der Müller aber schunkelnder Rheinländer geblieben, dann bin ich skeptisch. Ein Indiz für seine angenommene Bayrischkeit ist, dass er wie ein Löwe brüllen kann, aber richtig beißen, dass die Knochen brechen, tut er nicht. Selbst den Weisner von „Wir sind Kirche“ hat er zwar angefaucht, ließ ihn aber doch irgendwie leben. Das ist schon bayerische Umgangsform.

Muskelspiele beim Auftreten gehören halt zum Bayern. Denk an unseren Seehofer, ein strammer Katholik seiner Konfession nach, aber zugleich seinem Bayernnaturell nach ein schneidiger Bursch mit Kind nebensaus, oder erinnere Dich an unseren Landesvater Franz-Josef, der in New York einem Freudenmädchen immerhin so nahe kam, dass das ihm seine Geldmappe samt den Papieren hat klauen gekonnt. Außerdem hatten die Leichten Mädchen bei uns ihren Platz in der Fronleichnamsprozession.
Wir Bayern sind eben keine engherzigen Menschen. Der Bayer ist z.B. nicht ausschließlich Katholik, schließlich haben wir das Fensterln erfunden und von altersher neben unserer katholischen Moral auch praktiziert. Der Bayer ist eben nicht einfältig, fährt nicht eingleisig, wenns um den Lebensspaß geht. Mir scheint, der Bayer im Bischof Müller könnte den allerdings auf seinem kirchlichen Terrain zu einem Hoffnungsträger machen.

Beim Ratzinger ist es anders gekommen. Dem sein angeborenes Bayerntum ist verblasst und erschöpft sich heutzutage auf die bloße Begeisterung eines Zuschauers bei Volkstänzen wie dem Schuhplattler, dem Auftreten der Bergschützen oder den Bläsern aus dem Rupertiwinkel wie Du es zuletzt in seiner Sommerresidenz Castel Gandolfo beobachten gekonnt hast. Der besitzt einfach nicht mehr die kräftige bayerische Lebensenergie und ist zu einem Asketen verkümmert, wodurch er uns, seinen Landsleuten, auch immer fremder wird. Übrigens im Speisewagen des 15 Waggons langen Zuges nach Gandolfo war schon vor Salzburg das Bier ausgegangen, in einer Tankstelle bei Bad Gastein haben die Papstpilger 500 Flaschen nachgetankt und in Rom dann das La Carovana leergemacht Vielleicht kehrt mit dem Müller in Rom das glaubensstarke bayerische Leben doch noch ein. Das tät der schwächelnden Katholischen Kirche gut, und sie bekäm wieder Saft in die Adern. Immerhin ist der Müller als Glaubenswächter wenigstens so kampfeslustig wie Franz Josef oder der Seehofer es sind. Und das bringt Leben in die Bude.

Irgendwie, lieber Spezi, freue ich mich mordsmäßig, dass wir zum ersten Mal in der ganzen Kirchengeschichte die zwei obersten Posten in unserer Mutter Kirche mit zwei Bayern erobert haben. Ich halt sie für manche Überraschung gut. Schließlich scheint mir, der Benedikt ist deshalb so ängstlich geworden, weil ihn seine italienischen Zuarbeiter so stark mit Bedenken, gar Intrigen irritiert haben. Jetzt, wo er den Müller in seiner Nähe spürt, könnts sein, dass der Benedikt wieder zu dem Mut seiner Tübinger Jahre zurückfindet. Diesen revolutionären Geist hat er ja in sich: Ich mein, der hat damals das Frauenpriestertum nicht bekämpft, die wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion gehen lassen wollen und den Zölibat, wie die Süddeutsche vor einiger Zeit geschrieben hat, schwer in Frage gestellt. Was wär das für unsere Kirche und erst für uns Bayern ein Glück geworden, wenn er dabei geblieben wär.

Joseph, allerdings weiß ich von der Gewerkschaft her, was alles ein Wechsel im Spitzenpersonal bringen kann! Oft Katastrophales. Wir leiden bis heute unter dem Steinkühler mit seinen Insidergeschäften oder dem Albert Vietor mit seinen krummen Dingern bei der Neuen Heimat.

Ich bin im Vertrauen auf unser bayerisches Naturell, das jetzt in Rom den Ton angibt, ein Optimist. Die Kirch, in der wo wir beide Messdiener waren, wird wieder auf die Beine kommen, und zwar dank bayerischer Kraft und Courage, sag ich!

In dieser Vorfreude grüßt Dich, Joseph, Dein Freund und Gewerkschafter.
Sepp

P.S.: Der Müller ist wirklich kein Weichei, der trinkt auch bestimmt nicht das suddelige alkoholfreie Weibsleutsbier, der liebt wie unsereiner das männliche Bockbier mit 6,5% Alkohol. Damit wär er auch der Kerl, unerschrocken Lehrentscheidungen zu treffen. Wir bayerischen Katholiken rechnen auf den Bischof Müller, weil er jetzt endlich,- abgesehen vom Papst, überhaupt keinen mehr über sich hat, mit dem er rivalisieren müsst. Und vom Papst ist er der engste Kumpel, und gemeinsam können die manches Ding drehen.


© imprimatur November 2012
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