"Verändern wird sich vorerst gar nichts"
Erhard Bertel im Interview

Erhard Bertel leitet die Redaktion der kritischen katholischen Zeitschrift "imprimatur". Der 77-Jährige hat als Pfarrer in Niederlosheim, Quierschied und Saarbrücken gewirkt. SZ-Redakteur Thomas Schäfer hat mit ihm über die starre Haltung Roms beim Umgang mit Wiederverheirateten gesprochen. (Veröffentlicht am 04.07.2012 in der Saarbrücker Zeitung)

Herr Bertel, die Stimmen werden immer lauter, die katholische Kirche möge barmherziger mit Wiederverheirateten umgehen. Wie ist Ihre Meinung?

Bertel: In den Gemeinden, in denen ich tätig war, konnten sich schon vor 40 Jahren Geschiedene, die wieder geheiratet hatten, zu den Sakramenten eingeladen fühlen. Für mich ist es unmöglich, diesen Menschen in ihrer oft als desolat empfundenen Situation plötzlich ein Zeichen zu geben, dass sie nicht mehr dazugehören.

Das heißt, Sie haben gegen Kirchenrecht verstoßen?

Bertel: So ist es. Das habe ich auch öffentlich getan, die jeweiligen Bischöfe wussten das. Seit vielen Jahren ist die Praxis in den Kirchengemeinden eine andere, als es von oben her und nach außen hin propagiert wird. Selbst konservativer eingestellte Kollegen tun, was sie für angemessen halten: Auch Wiederverheiratete sind eingeladen, an den Tisch des Herrn zu kommen. So wie wir anderen Sünder auch, die zur Kommunion gehen in der Hoffnung, dass uns Hilfe zuteil wird.

Jetzt hat sich auch der Katholikenrat im Bistum Trier positioniert: Das Thema Wiederverheiratete müsse schnell angegangen werden. Sehen Sie Chancen?
Bertel: Wenn der Katholikenrat das beschließt, ist das gut für die Betroffenen. Sie hören dann, welches Denken es auch in der Kirche gibt. Verändern auf der Ebene der Bischöfe wird sich vorerst gar nichts. Das gilt auch für Rom: Der neue Glaubenshüter Bischof Gerhard Ludwig Müller wird sicher nicht derjenige sein, der das fördert. Das Ärgerliche an den meisten Gesprächen, die von den Bischöfen zurzeit formell geführt werden, ist doch, dass die Themen, die den Menschen vor Ort auf den Nägeln brennen, gar nicht erst zur Sprache kommen.


© imprimatur November 2012
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