Johannes Schmitt
Eher kein „Fels im Sturm“
Bischof Bornewasser von Trier und der Nationalsozialismus

Im Jahre 1969 wurden zwei Bände mit „Predigten und Hirtenworte(n)“ des Trierer Bischofs Franz Rudolf Bornewasser unter dem Titel: „Fels im Sturm“ herausgegeben. Mit dieser Anspielung an die Petrus-Metapher des Neuen Testamentes suggerierte der Herausgeber nicht nur, sondern stellte explizit und rühmend heraus, dass sich auch der Trierer Oberhirte in der Apostelnachfolge in den Jahren des Dritten Reiches wie viele seiner Kollegen „als Fels im Sturm erwiesen“ habe (Fels im Sturm I, S. XIII). Doch diese apologetische und fast panegyrische Perspektive, die schon unmittelbar nach Ende der Naziherrschaft verbreitet wurde, muss aufgrund neuerer Forschungen erheblich relativiert und differenziert – wenn hier auch nur skizzenhaft – dargestellt und zurechtgerückt werden.

„Verlockungen“ und „Wende“ – Anerkennung des Nationalsozialismus in der Regierung

Direkt nach der „Machtergreifung“ begannen Hitler und die Nationalsozialisten den Reichstagswahlkampf für den 5. März damit, dass sie die „nationale Erneuerung“ auch als „christliche“ beschworen und geradezu einen Feldzug zu starten schienen, um katholische Wähler vom Zentrum ab- und in das NS-Lager herüberzuziehen. Bischof Bornewasser indes blieb wie seine Bischofskollegen zunächst weiter bei der vorwiegend religiös und ideologisch motivierten Ablehnungslinie des NS. Da jedoch die Märzwahl Hitler keine Mehrheit brachte und er nun ein sogenanntes „Ermächtigungsgesetz“ anstrebte, das ihm für begrenzte Zeit diktatorische Vollmachten zur Veränderung von Staat und Gesellschaft legal verschaffen sollte, und dafür auch das Zentrum gewinnen wollte, erklärte der Reichskanzler, dass er in den Konfessionen wichtige „Faktoren“ zur Erhaltung des Volkstums sehe, deren Rechte und Verträge respektieren und sogar den Konfessionen Einfluss in Schule und Erziehung zugestehen wolle.

Nur wenige Tage nach der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes, am 28. März 1933, reagierte der katholische Episkopat auf das Hitlerangebot, erklärte, „dass die allgemeinen Verbote und Warnungen nicht mehr als notwendig betrachtet (zu) werden brauchen“, dass Hitler und seine Regierung die von Gott gesetzte Obrigkeit seien, und schließlich bezeichneten sie Anfang Juni in einem gemeinsamen Hirtenwort Hitlers Regierung als „Abglanz der göttlichen Herrschaft“ und sprachen ihr eine „Teilnahme an der ewigen Autorität Gottes“ zu (Schmitt, S. 130 f.).

Auch Bischof Bornewasser gehörte zu den vielen Katholiken, die nun für längere Zeit in der Illusion lebten, als könnten Katholiken und Nationalsozialisten an der christlichen und nationalen Erneuerung Deutschlands auf nationalsozialistischer Grundlage Schulter an Schulter zusammenarbeiten.

Konkordat

Bischof Bornewasser bejahte deshalb auch in diesem Sinne vorbehaltlos das Konkordat, am 20. Juli zwischen dem Deutschen Reich und dem Vatikan abgeschlossen. Er sah in ihm das tragende Fundament einer Kooperation zwischen NS-Staat und katholischer Kirche, befürwortete aber auch das in ihm enthaltene von Hitler verlangte Verbot der politischen Betätigung des Klerus, im Gegenzug zur gewährten Bestandsgarantie für katholische Verbände und die Konfessionsschule. Allerdings sollte erst später festgelegt werden, welche Verbände im Einzelnen durch das Konkordat gesichert seien. Diese Vereinbarung kam nie zustande und blieb ein Streitpunkt im bald sich abzeichnenden „Kirchenkampf“.

Heilig-Rock-Wallfahrt 1933

In der Heilig-Rock-Wallfahrt 1933 sah Bischof Bornewasser die gelungene Probe auf das eben erst unterzeichnete Konkordat. Flugs wurden die Ziele der Wallfahrt in diesem Sinne umgedeutet. Sie galt den Apologeten als „sichtbarer Ausdruck für ein neues Zusammenwirken der größten natürlichen“, gemeint ist die NS-Bewegung, und der „größten übernatürlichen Kulturmacht“, der katholischen Kirche (Schmitt, S. 132 f.). Bischof Bornewasser begrüßte die uniformierten NS-Größen am Domeingang. Er war einverstanden mit dem Ordnungsdienst der SA. Der Bischof und Vizekanzler von Papen sicherten am Abend der Wallfahrtseröffnung „dem Führer“ telegraphisch „ihre unverbrüchliche Mitarbeit am Neubau des Deutschen Reiches“ zu, dem Führer, der „bemüht“ sei, „die christliche, nationale und soziale Grundlage des neuen Staates wiederherzustellen“ (Schmitt, S. 136).

Saarabstimmung

Im Versailler Friedensvertrag wurde das so genannte Saargebiet, überwiegend das Montanrevier an der Saar, von Deutschland abgetrennt und bis 1935 dem Völkerbund unterstellt. Dann sollten die Einwohner über ihre weitere politische Zugehörigkeit entscheiden. Bischof Bornewasser und auch sein Speyerer Kollege setzten sich bis 1933, bis zur Machtergreifung des NS in Deutschland, vehement und entschieden für die Rückgliederung des Saargebiets an Deutschland ein, aber auch noch, als dort bis zur Mitte des Jahres 1934 die Demokratie beseitigt und die NS-Diktatur durchgesetzt war und an der Saar auch katholische Politiker und Kleriker unter der Führung von Johannes Hoffmann nun für die Beibehaltung des Völkerbundsmandates warben. Nun verbot Bischof Bornewasser jegliche politische Betätigung des Klerus und belehrte seine Diözesanen, dass das Bekenntnis zur Nation Pflicht der Katholiken bleibe. Die mehr als 90prozentige Zustimmung der Saarländer zur Rückgliederung rechnete er sich als sein persönliches Verdienst an.

Kirchenkampf

Aber Hitler und seine Gauleiter im Westen belohnten den Trierer Bischof dafür nicht. Zeitverzögert wurde auch hier der so genannte „Kirchenkampf“ exekutiert: Katholische Verbände, vor allem der Jugend, waren zunächst in ihren Aktivitäten behindert, schließlich verboten, das Konkordat vom Staat dauerhaft missachtet, kirchliche Aktivitäten gewissermaßen in die Sakristei zurückgedrängt, dann sogar die Konfessionsschule beseitigt. Eine große Anzahl von Priestern wurde wegen ihrer regimekritischen Einstellung und ihres Verhaltens bestraft oder in Konzentrationslager verbracht. Gerade sie fanden keine öffentliche Unterstützung durch ihren Bischof. „Nicht ganz zu Unrecht wird ihm vorgeworfen, sich nicht immer hinreichend genug vor seinen Klerus gestellt zu haben“ (Brommer, S. 41). Allerdings wich Bischof Bornewasser nicht von seiner grundlegenden Ablehnung der NS-Ideologie ab, wie sie auch in der päpstlichen Enzyklika von 1937 zum Ausdruck kam. Und auch er wandte sich wie Bischof von Galen mutig im Krieg gegen Maßnahmen der „Euthanasie“ und gegen den „Klostersturm“.

Sittlichkeitsprozesse

Mit voller Wucht trafen die von der NS-Justiz gegen homosexuelle Priester reichsweit inszenierten und von der Nazi-Presse ausgeschlachteten so genannten „Sittlichkeitsprozesse“ seit dem Jahre 1936 das Bistum Trier. Wie sonst kein anderes Bistum war fast ein Prozent der Kleriker davon betroffen. Durch diese gezielte Aktion in das katholische Milieu hinein sollte das Vertrauen der Gläubigen zum Klerus untergraben werden, auch zum Bischof, der in einem Prozess als Zeuge vernommen wurde und den man in der Presse sogar einer eidlichen Falschaussage bezichtigte, abgesehen von den Vorwürfen der Verschleierung und Vertuschung der Straftaten und der mangelhaften Aufsicht. Ein Prozess gegen ihn selbst indes wurde nicht eingeleitet.

Zweiter Weltkrieg

Der Angriff Deutschlands auf Polen, der den Zweiten Weltkrieg mit über 50 Millionen Toten auslöste, fand auch wie die späteren Angriffskriege in Bischof Bornewasser keinen Kritiker, im Gegenteil: Er forderte von seinen Diözesanen bis zum Ende des Krieges wie alle seine Kollegen „vaterländische“ Pflichterfüllung. Nach dem siegreichen Frankreichfeldzug ließ Bischof Bornewasser sogar die Glocken läuten, ordnete in den Kirchen ein Hochamt an und dankte innigst „dem tapferen Heere und seiner Führung“ (Fels im Sturm II, S. 415). Als Hitler im Sommer 1941 die Sowjetunion mit einem rassistischen und politischen Vernichtungsfeldzug überziehen ließ, ein Krieg, in dem 27 Millionen Einwohner der Sowjetunion ihr Leben verloren, sah der Trierer Bischof im Oktober darin „eine Abwehr der bolschewistischen Bedrohung alle Völker“ (Fels im Sturm II, S. 449). Nach dem Krieg fand Bischof Bornewasser keine Veranlassung, seine Einstellung im und zum Kriege auch nur im Ansatz selbstkritisch zu sehen.

Judenverfolgung

Die Juden Deutschlands und der von Deutschland besetzten europäischen Länder gehörten nicht zum Proprium der deutschen Bischöfe, das es gegen den Nationalsozialismus zu verteidigen und zu bewahren galt. Auch Bischof Bornewasser hat keinen Protest gegen die Boykottmaßnahmen, gegen die Diskriminierungen, gegen die Pogrome erhoben, auch nicht, und dieses Skandalon bleibt, als sechs Millionen im Holocaust vernichtet wurden.

Resümee

Bischof Bornewasser war in der Nazizeit eher kein „Fels im Sturm“: Bis weit in das Jahr 1935, schon längst war die braune Diktatur fest etabliert, lebte er in und mit der Illusion einer Zusammenarbeit von Nazipartei und katholischer Kirche, wie sie das Konkordat zu begründen und die Heilig-Rock-Wallfahrt zu symbolisieren schien. Auch sein Verhalten im saarländischen Abstimmungskampf war von diesem Kooperationswillen geprägt. Als der „Kirchenkampf“ ab dem Jahre 1936 auch das Trierer Bistum voll traf, hatten die Nationalsozialisten das Konkordat indes fast gänzlich ausgehöhlt und ad acta gelegt. Bischof Bornewasser, und hier ist ihm Mut zu zollen, verteidigte nun die Propria seiner Religion auch in der Öffentlichkeit, die Juden indes fanden in ihm keinen Anwalt. Hitlers imperialistische Feldzüge wie den Krieg überhaupt und insbesondere der gegen den Bolschewismus fanden seine ungeteilte Zustimmung.

Literatur:

Fels im Sturm. Predigten und Hirtenworte des Erzbischofs Franz Rudolf Bornewasser, hg. v. Albert Heintz, 2 Bde., Trier 1969.

Franz-Josef Heyen, Franz Rudolf Bornewasser (1922-1951), in: M. Persch/M. Embach (Hg.), Die Bischöfe von Trier seit 1802. Festgabe für Bischof Dr. Hermann Josef Spital, Trier 1996, S. 169-188.

Peter Brommer, Das Bistum Trier im Nationalsozialismus. Quellenpublikation, Mainz 2009.

Heinrich Küppers, Herausforderung und Bedrohung im Zeichen des Hakenkreuzes, in: B. Schneider/M. Persch (Hg.), Geschichte des Bistums Trier, Bd. 5, Trier 2004, S. 627-670.

Johannes Schmitt, „Nationalsozialistische Formationen“ – „Schutzgarde vor dem Hl. Rock“? Politische Aspekte der Heilig-Rock-Wallfahrt 1933, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 58 (2010), S. 129-138.


© imprimatur Oktober 2012
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