Erhard Bertel
Katholikentag, alternativ und offiziell

Am Fest „Christi Himmelfahrt“, Ankunft in Mannheim Hbf. Ziel ist die Teilnahme an der Eröffnungsveranstaltung des „Alternativprogramms in der evangelischen Johanniskirche. Dazu haben eingeladen: „Initiative Kirche von unten“, „Leserinitiative Publik e.V.“ und „Wir sind Kirche“. Schon bei der Ankunft ist klar, dass Mannheim gespalten ist. Wo geht es zum alternativen Programm in der Johanniskirche? Da müssen Sie unter der Gleisanlage des Bahnhofs zur anderen Seite gehen, dort folgen Sie den Schildern. Tatsächlich kann man sich einem beachtlichen Strom von Fußgängern anschließen, die wohl dasselbe Ziel haben, die evangelische Johanniskirche. Um die Kirche herum eine lebendige Menschentraube. „Gespräche am Jakobsbrunnen“ bietet in einem Zelt stündlich interessante Gesprächspartner. Am Schriftenstand stehen Exemplare unserer Zeitschrift „imprimatur“.

Schon frühzeitig vor 14 Uhr füllt sich die Johanniskirche. Hektik entsteht, denn mit so vielen Teilnehmern hat die Organisation wohl kaum gerechnet. Die Emporen bieten Ausweichplätze. Eine kleine Band spielt zur Freude derer, die auf den Anfang warten müssen. Dann endlich ist nach einer Begrüßung der angesagte Redner im Altarraum:

Friedhelm Hengsbach, Sozialethiker und Kirchenkritiker, tritt ans Pult und spricht, immer wieder von Applaus unterbrochen, zum Thema:

Eure Sorgen möcht’ ich haben – worum es wirklich geht

Er hält sich nicht lange bei kritischen Beobachtungen auf, die er gegenüber der Kirche hat, vielmehr folgen engagierte Gedanken zu:

„Christlicher Glaube ist politische Praxis“, „Gesellschaftliche Risse“, „Gerechtigkeit in der Kirche“. Am Schluss folgt das Bekenntnis:

„Der Heilige Geist als die innere Lebenskraft des Gottesvolkes setzt organisatorische Bausteine der äußeren Kirche und ihrer Architektur für zeitgemäße Umbauten frei. Gott ist indifferent gegenüber einer hierarchischen oder demokratischen Verfassung der äußeren Kirche, selbst wenn die Kirchenleitungen es nicht sind. Deshalb muss das Kirchenvolk nicht unterwürfig darauf warten, bis Papst und Bischöfe ihnen das gnädig gewähren, was sie gemäß ihrem Gewissensurteil für richtig halten. Ungerechte Verhältnisse oder Strukturen der Sünde in der Welt und in der Kirche werden in den seltensten Fällen von oben durchbrochen. Die friedliche Revolution im Ostblock und die „Arabellion" belegen die Kraft von passivem Widerstand, Zivilcourage, offenem Protest, Herstellen von Öffentlichkeit in den Medien, gezielter Verletzung jener kirchlichen Regeln, die Menschenrechte verletzen sowie religiös-zivilem Ungehorsam und einer Selbstbehauptung der Reformwilligen. Wer sollte diese daran hindern, sich die real existierende Kirche wieder anzueignen - auf gleicher Augenhöhe in der Dynamik des Gottesgeistes, der allen Christen innerlicher ist, als sie selbst es sind?“

Während Plastikgefäße für eine Spende zur Finanzierung dieser alternativen Veranstaltungen durchgereicht werden, ist eine fröhliche Stimmung festzustellen. Viele aus dem „alternativen Milieu“ kennen sich, darunter leidet wohl auch die Zahl derer, die sich zum anschließenden Podiumsgespräch noch einmal zusammenfinden. Die vorbereitete Menge an Kaffee und Kuchen ist bald aufgezehrt. Es wird Nachschub erwartet.

Die andere Seite Mannheims

Wo findet man jetzt die „offizielle Seite“ des Katholikentages? Sie müssen zurückgehen, unter der Gleisanlage durch und dann immer geradeaus, zur Stadtmitte.
Um den Wasserturm und darüber hinaus ein Gewoge von Menschen, die um den Hals das offizielle Teilnehmerabzeichen des Katholikentages tragen. Kleinere und größere Zelte liegen an den Zugangswegen, das Zelt von „Donum Vitae“ steht an strategisch günstiger Stelle. Man ist mit dem Interesse der Vorbeigehenden zufrieden. Auf einer Bühne werden Interviews geführt. Kardinal Woelki lässt sich wolkig über den Stand der Fußballmannschaften aus Düsseldorf und Berlin aus, sehr viel ernsthafter gerät das Interview mit Wunibald Müller, dem prominenten Berater für burn-out-Geschädigte in Kirche und Gesellschaft, der im Recollectio-Haus in Münsterschwarzach praktiziert.

Durch die Weiträumigkeit der Straßen und Anlagen wirkt das Geschehen nicht überlaufen und es entsteht der Eindruck: was es doch alles noch in der Kirche an Angeboten gibt:

Fromme Bistumsblätter, Kirchliche Radio – und Fernsehprogramme, soziale Angebote bei der Bundeswehr und ganz persönlich fromme Mitmenschen, die andere von ihren Programmen überzeugen wollen. Auch das ist eine Realität der katholischen Kirche in Deutschland, die weit weg von den kontroversen Diskussionen kirchlicher Probleme existieren.

Insgesamt kann man kaum den Eindruck gewinnen, dass dieser Kirchentag eine Laieninitiative ist. Hat im Vorfeld das „Zentralkomitee der deutschen Katholiken“ noch mit kritischen Äußerungen im Fokus gestanden, so hat man hier den Eindruck, dass der ach so versöhnlich wirkende Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Herr Zollitsch, das Sagen hat. Selbst der tapfere Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Herr Glück, der im Vorfeld des Katholikentages unermüdlich auf Reformen hingewiesen hat, wirkt hier eher angepasst und ist verstört durch die Pfarrerinitiative aus Österreich, die zum Ungehorsam in der Kirche aufruft. So etwas brauchten wir nicht.

Wieder zu Hause, nimmt man diesen Katholikentag dann durch die Printmedien wahr, die nicht umfassend berichten, da sie wohl bei ihrer Leserschaft kaum auf großes Interesse damit stoßen würden. Im Fernsehen sind es dann die Großveranstaltungen und Gottesdienste, die den Katholikentag in die Öffentlichkeit bringen.

Was wird von diesem Katholikentag ausgehen? Auch eine Antwort auf diese Fragen sind folgende Gedankensplitter:

Gedankensplitter aus „Süddeutsche Zeitung“, 18. Mai 2012, Aufbruch braucht Dialog:
Das Kirchenkabarett „Maulflaschen“: „Dialog ist, wenn der Pfarrer zu Beginn des Gottesdienstes sagt: Der Herr sei mit Euch – und die Gemeinde antwortet: Und mit Deinem Geiste!“

„Süddeutsche Zeitung“, 18. Mai 2012:
Es herrscht Angst vor dem Dialog, wie es der Nuntius Claude Perisset klarstellte:
Dialog führe zum Streit, der aber mache alles kaputt und sei der Beginn einer Revolution.

Auch der Gedanke:
Im Heiligen Geist dürfen wir einen neuen Aufbruch wagen. Im Blick auf das II. Vatikanische Konzil bleiben wir der Kirche treu.

Der Gesamteindruck kann sein:

Mannheim ist ein Bild der derzeitigen Kirche in Deutschland:
Auf der einen Seite der Stadt: die Alternativen, auf der anderen Seite: die Offiziellen.
Und mitten hindurch fährt der Zug (der Zeit), an beiden Teilen der Kirche vorbei.


© imprimatur Oktober 2012
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