Klaus Hamburger
Wie Gott in Frankreich?
Die alten Priester der „ältesten Tochter" der Kirche

Immer wieder richtet die Akademie auch den Blick auf die Entwicklungen der pastoralen Situation im Nachbarland Frankreich. Mutmachend sind Aufbrüche wie die in den Bistümern Paris und Poitiers, hingegen werden andernorts die Situation der Gemeinden sowie die Lebenssituation vieler Priester im laizistischen Frankreich zu leicht übersehen.

Es ist eine demographische Rentenfrage der besonderen Art. „Die Hälfte der Priester ist über 75 Jahre alt. Mit ihr steht Frankreichs Kirche vor einem finanziellen wie menschlichen Problem", alarmierte unlängst die in Paris erscheinende katholische Tageszeitung La Croix. Unter den 91 Ortskirchen scheint es Streit zu geben. „Die Bistümer sind sehr geteilter Meinung, ob es gut ist, auf die Sozialhilfe des Staates zurückzugreifen", heißt es. „Manche Bistümer betonen, dass dies ein Recht ist, das jedem einzelnen Priester zukommt, der durch die Geringfügigkeit seiner Entlohnung wirtschaftlich gesehen in die Kategorie der am meisten unterversorgten Menschen fällt." Die Zeitung zieht es dabei vor, euphemistisch von wirtschaftlich „fragilsten Personen" zu sprechen.

An sich gäbe es eine Alternative: „Andere halten dafür, dass das Bistum mit seiner Kirchgeld-Sammlung („le denier de l'Eglise") den Unterhalt der betagten Priester selbst tragen müsste", berichtet das Blatt. Nur ist eben dieses Kirchgeld seit Jahren rückläufig. Mit dem Altersdurchschnitt des Klerus - er liegt 35 Prozent über dem der Bevölkerung - hat sich auch derjenige der Christen, die sich bei der Kollekte erkenntlich zeigen, weit nach oben bewegt. Dazu kommt: Das Jahresbudget mancher Bistümer streift gerade noch acht Millionen Euro. Zur Deckung laufender Kosten wird mittlerweile das Tafelsilber - sprich werden Immobilien - verkauft. Denn diese sind entweder für das Gemeindeleben zu groß oder ihre Sanierung ist zu kostspielig. Soziale Institutionen, die derartige Häuser übernehmen könnten, gibt es in der französischen Kirche nur selten.

Wo die Gemeinschaft in Christus nicht mehr finanziell trägt, ist jeder der 14.000 „ministres du culte" (Kultdiener) auf sich gestellt: „Jeder einzelne Priester muss für sich selbst die Entscheidung treffen, ob er auf die Sozialhilfe zurückgreift oder nicht", dekretieren die Bistumsverantwortlichen laut La Croix. Ein alter Abbé muss sich folglich entscheiden: am Existenzminimum auf Gnaden des Bistums oder seines Nachfolgers zu leben, von der eigenen Familie oder von Wohltätern begünstigt zu werden oder Sozialhilfe zu erhalten. Nur wenige haben die Chance, im Pariser Speckgürtel versorgt zu werden oder den Anforderungen des finanzstarken rechtslastigen christlichen Lagers zu entsprechen. Und von deutschen Priestern, die auf Besuchsreisen in Frankreich ihren Kollegen Geld zustecken - wie einst in der Nachkriegs-Initiative „Contact Abbe" - ist nichts mehr zu hören ...

Wie aber wirkt eine solche soziale Biografie eines Priesters auf die berufstätige Bevölkerung? Diese kämpft gerade in Frankreich unermüdlich und organisiert darum, eine frühe und der Kompetenz wie der Lebensarbeitsleistung entsprechende Rente auszuhandeln. Die Kirche, in der nur spärlich hauptamtliche Laien tätig sind, weil deren Finanzierung noch weniger gesichert ist, fällt als „exotische Erscheinung" durch den Rost gesellschaftlicher Anerkennung.

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: In manchen Landstrichen ist die flächendeckende Seelsorge nahezu zusammengebrochen. Es gibt Dörfer, in denen keiner weiß, wer noch verständigt werden sollte, wenn im Laufe des Jahres ein Priester zu einer Eucharistiefeier anreisen würde. Der Altersdurchschnitt und die damit einhergehenden Probleme des Klerus sind da längst aus dem Blick - denn die Bevölkerung kennt keine Priester mehr.

Zu einem Zeitpunkt, an dem es eigentlich längst zu spät ist, will nun die Regierung unter Präsident Sarkozy die Abschlüsse katholischer privater Universitäten staatlich anerkennen, einschließlich des theologischen. Einen kirchlichen Arbeitsmarkt kann aber selbst der umtriebige französische Präsident nicht aus dem Boden stampfen. Bei aller Trennung von Staat und Kirche hätte er allerdings Grund dazu. Denn unter dem Strich ist die katholische Kirche für den französischen Staat kostspieliger als ihr Pendant für den deutschen. Darauf hat die französischen Tageszeitung Le Monde schon vor Jahren hingewiesen.

Klaus Hamburger, katholischer Theologe, Übersetzer und Grafiker, lebte mehr als 30 Jahre in Frankreich

Aus: Journal Thomas-Morus-Akademie Bensberg, Ausgabe 23, 1/2012, S. 15


© imprimatur Juli 2012
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