"Kirchliche Hierarchie droht an ihrem Starrsinn zu zerbrechen"

Der Luzerner Theologe Herbert Haag löste 1997 einen kleinen Sturm aus mit seinem inzwischen vergriffenen Buch: "Worauf es ankommt: Wollte Jesus eine Zwei-Stände-Kirche?" Zehn Jahre nach seinem Tod am 23. August 2001 hat die Herbert-Haag-Stiftung für Freiheit in der Kirche zusammen mit den Organisatoren der sogenannten "Katholischen Dialoge" eine nochmalige Lektüre des nach wie vor brisanten Buches veranstaltet. Die Tagung fand am 26. September 2011 im Romerohaus in Luzern statt. Die Professoren Walter Kirchschläger und Dietrich Wiederkehr von der Universität Luzern hielten die Hauptreferate. Die Moderation besorgte Erwin Koller, Vizepräsident der Stiftung. Die Presseagentur Kipa hat bei ihm nachgefragt. Hier einige Gedanken Kollers:

Auf die Frage der Presseagentur Kipa, warum sich die Herbert-Haag-Stiftung um die Zulassungsbedingungen zur Priesterweihe engagiere, sagt Erwin Koller:

„Die Freiheit des Christenmenschen hängt sehr eng damit zusammen, ob der Laie für voll genommen wird oder nur ein Anhängsel der Kleruskirche ist. Herbert Haag hat in seinem Buch über die Zwei-Stände Kirche dazu einen Schlüsselsatz formuliert: "Die Krise der Kirche wird so lange andauern, wie sich diese nicht entschließt, sich eine neue Verfassung zu geben, eine Verfassung, in der es für zwei Stände – Priester und Laien, Geweihte und Nichtgeweihte – keinen Platz mehr gibt, sondern ein kirchlicher Auftrag ausreicht, um eine Gemeinde zu leiten und mit ihr Eucharistie zu halten. Und ein solcher Auftrag kann Männern und Frauen, Verheirateten und Unverheirateten zuteilwerden."“

Das Faktum einer "Zwei-Stände-Kirche“ habe Konsequenzen: Auf der vordergründigen Ebene damit, dass viele Pfarreien am Sonntag keine Eucharistie mehr feiern können, weil sie keinen geweihten Priester mehr haben. Und diese Situation wird sich in absehbarer Zeit noch wesentlich verschlimmern, wie die Prognose des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts für das Jahr 2029 zeigt.

Hintergründig gehe es aber um viel mehr: Die klerikale, patriarchale und zentralistische römische Kirche entspricht nicht dem Bild der Kirche, wie es das Zweite Vatikanische Konzil entworfen hat. Wie soll sich eine Kirche den Problemen der heutigen Welt stellen, wenn ein "kindlicher Gehorsam" noch immer die oberste Devise ist? Wenn also das Kirchenvolk sich möglichst keine eigenen Gedanken macht, geschweige denn sich kritisch mit der Kirchenleitung auseinandersetzt. Und wenn im Kader die Frauen von Vorneherein keinen Platz haben. Wie soll man gute Leute verpflichten können, wenn das Leitungspersonal des Unternehmens autonomes Denken und Eigenverantwortung an der Pforte abgeben muss, weil im Zweifelsfall alle darauf schauen müssen, was denn der Vatikan zu einer Sache sagt?

Ich sage nicht, dass alle Leute in der katholischen Kirche so funktionieren. Gott sei Dank ist das nicht so. Doch wer selbstständig handelt, kann es oft nur mit einem enormen Aufwand an Widerstandsenergie und mit zahllosen Verkrümmungen tun. Und so bleibt dann die Sache selbst häufig auf der Strecke.“

Und die Rolle der Frauen im Neuen Testament im Hinblick auf die Eucharistiefeier ? Koller:

Dass die Eucharistiefeier von einer Frau geleitet wurde, werde im Neuen Testament nirgends explizit erwähnt. Es gibt allerdings auch nur eine einzige Stelle, wo ein Mann das Brotbrechen leitet. Nachweislich aber gebe es eine ganze Reihe von Frauen, die eine Hauskirche geleitet haben, und mit dieser Funktion sei ohne Zweifel die Leitung der Eucharistie verbunden.

Hinweis: Herbert Haag: Worauf es ankommt. Wollte Jesus eine Zwei-Stände-Kirche? Herder Freiburg, 1997.


© imprimatur Dezember 2011
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