P. Klaus Mertes SJ, Bettina Jarasch
Anregungen und Wünsche aus der katholischen Kirche in Berlin zum Besuch von Papst Benedikt XVI. in Berlin

Der Terminplan für den Besuch von Papst Benedikt in Berlin liegt nun fest. Zeit also, dass sich in unsere Vorfreude auf den Besuch die Frage mischen kann, um welche Themen es beim Papstbesuch in Berlin gehen könnte, und welche Wünsche und Hoffnungen wir mit ihnen verbinden. Wir blicken dabei auf den Verlauf des Programms, gleichsam auf die Straßen von Berlin: Welche Themen werden vor aller Augen sichtbar sein, wenn der Papst die Stadt betritt?

1) Papst Benedikt wird in Berlin von einem Bundespräsidenten begrüßt werden, der katholisch, geschieden und wiederverheiratet ist. Die katholische Kirche hat bis heute keinen Weg gefunden, wie sie mit dem Scheitern von Ehen und Neuanfängen umgehen kann, außer den der Exkommunikation. Was dies für viele Familien und deren Kinder bedeutet – gerade für diejenigen, die sich der Kirche und ihrer Lehre einschließlich der Bedeutung von Ehe und Kommunionsgemeinschaft verbunden wissen – kommt nach unserem Eindruck immer weniger bei den Verantwortlichen für die Pastoral an. Wir wünschen uns ein befreiendes Wort, das auch wiederverheirateten Geschiedenen den Zugang zur Kommunion neu eröffnet.

2) Papst B. wird sich in das goldene Buch der Stadt eintragen. Neben ihm wird ein schwuler und zugleich katholischer Bürgermeister der Stadt stehen. Die Schwulen- und Lesbenverbände in Berlin haben im Vorfeld des Papstbesuches bereits zu Protestaktionen und Demonstrationen aufgerufen. Wir schlagen vor, dass die Kirche diese Ankündigungen zum Anlass nimmt, homosexuellen Männern und Frauen zuzuhören, um ihren Zorn und ihren Schmerz über die Kirche besser verstehen zu lernen.

3) Papst Benedikt wird vor dem Deutschen Bundestag in Berlin sprechen. Damit steht die Frage an, wie sich die katholische Kirche, vertreten durch ihr Oberhaupt, gegenüber den politischen Repräsentanten des Landes positionieren wird. Wird sie sich vornehmlich in einem beratenden, lobenden oder mahnenden Gegenüber aufstellen? Wir hoffen auf eine katholische Kirche vor dem deutschen Bundestag, die auch ihre eigene Armut kennt und bekennt, wenn sie zugleich ihrem Auftrag nachkommt, in den Konflikten und Nöten unserer Zeit Stellung zu nehmen: Die Schere zwischen Armen und Reichen, Verantwortung heute gegenüber den Generationen morgen, Gewalt gegen Frauen, Kinderrechte, Völkerwanderung und Flüchtlingsströme, Selektion des menschlichen Lebens, Arroganz der Macht und des Geldes.

4) Papst Benedikt wird vor der Kulisse des Hohenzollernschlosses eine Eucharistie feiern. Im Vorfeld waren insbesondere zwei thematisch relevante Orte ebenfalls im Gespräch, die durch einen Besuch des Papstes in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Nation gerückt worden wären, und die gerade die katholische Kirche in Berlin profilieren: Die Malteser Migranten-Medizin und die Gedenkkirche Maria Regina Martyrum. Das Gespräch darüber hält an.

Der Einsatz für Flüchtlinge und Migranten in der Schattenwelt der „Illegalität“ war in den vergangenen Jahren ein wichtiger Aufbruch der katholischen Kirche in Berlin. Die katholische Kirche hat dabei als Fürsprecherin für Menschenrechte agiert und ist auch so wahrgenommen worden. Globalisierung und Migration werden gerade auch für die katholische Weltkirche eine besondere Herausforderung bleiben. Wir hoffen dazu auf ein stärkendes Wort des Papstes.

Regina Martyrum, der gemeinsame Glockenturm mit dem evangelischen Gemeindezentrum Plötzensee und das ganze Ensemble vor Tegel erinnern daran, dass die Ökumene zwischen Christen nach 1945 eine Frucht des Widerstands ist. Papst Johannes Paul II. hat die „Ökumene der Martyrer“ mehrfach gewürdigt und in diesem Zusammenhang bestätigt, was christliche Widerständler selbst als die eigentliche geistliche Frucht ihre Widerstandes bewerteten: Eine geistgewirkte Einheit der Christen im Land der Reformation.

5) Vor zwei Jahren fand in Berlin die Debatte um den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach statt. Über mehrere Monate hinweg wurde die Frage nach Gott dadurch ein Thema in der ganzen Stadt. Dabei wurde allerdings auch Religionsfeindlichkeit spürbar. Wir halten einen intensiven Diskurs zwischen gläubigen und nichtgläubigen Menschen in dieser Stadt über die Frage nach Gott und die Rolle von Religion im öffentlichen Raum für dringlich geboten. Die Glaubwürdigkeit eines solchen Diskurses hängt nicht zuletzt auch von der ökumenischen Einheit derer ab, die ihn führen – einschließlich der religionsübergreifenden Einheit mit Juden, Muslimen, Hindus und allen anderen Menschen in der Stadt, die aufrichtigen Herzens Gott suchen.

6) In Berlin begann im Frühjahr 2010 für Deutschland die Aufdeckung des Missbrauchsskandals in kirchlichen und anderen Institutionen. In diesen Tagen werden die Stimmen in der katholischen Kirche lauter, die sich nach dem ermüdenden, aufreibenden Jahr 2010 nun endlich wieder positive Schlagzeilen für die katholische Kirche wünschen und den Besuch des Papstes in Deutschland mit dieser Sehnsucht verbinden. Wenn diese Stimmen für die weitere Planung des Besuches Oberhand gewinnen, wird genau das Gegenteil passieren: Die Öffentlichkeit wird zu dem Schluss kommen, dass die katholische Kirche auch nach 2010 die Kategorien des Reputationsmanagements und der Image-Pflege noch nicht hinter sich gelassen hat. Deswegen wünschen wir uns auch für die weitere Phase der Vorbereitung des Papstbesuches eine hörende Kirche, die auch dann zuhört, wenn es weh tut – und ihr Oberhaupt in dieses Hören mit hineinnimmt.


© imprimatur Juni 2011
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