Die Glosse

Rauschheim, vor dem Nikolaustag 2010

Lieber hochwürdiger Pater Gescheitle,

in unserer Bistumszeitung stellt ein Leser die brenzlige Frage: „Warum werden das Bußsakrament und der Ablass zur Tilgung der Sündenstrafen immer weniger in Anspruch genommen?“

Also früher, an Allerseelen, hab ich durch vollkommene Ablässe zumindest 6 oder 7 arme Seelen aus dem Fegfeuer geholt und von ihrer Peinigung erlöst. Ich bin alle vier Wochen beichten gegangen. Danach hab ich mich in meinem Gewissen immer sauwohl gefühlt, wie frisch aus der Badewanne gestiegen. Die Protestanten hab ich dann schwer bedauert, die wo keine Beicht und keinen Ablass haben und sich mit ihrer Schuld von Jahren auf dem Buckel dahinschleppen müssen. Unsereinem wird dagegen bei jeder Beicht sein Päckchen von der Schulter genommen.

Also, manche Protestanten verhalten sich zu uns Katholiken überheblich, andere aber, denen wo man unsere Erleichterung durch die Beicht schildert, werden ganz schön nachdenklich, manche sogar neidisch. Denn denen ihr Gewissen beißt nämlich auch, wenn sie was Schlimmes auf dem Kerbholz haben. Der Gotthold, ein Kumpel vom Sozi-Sepp, ist zum Beispiel so ein Evangelischer. Nachdem wir neulich in meiner Werkstatt wieder einen Kasten Paulaner leer gemacht hatten, kam ich mit dem ins Gespräch, und er hat mir ganz deprimiert gestanden, dass er fremdgegangen wär. Seine Frau, die Sophie, wüßt zwar nix davon, aber gerad darum tät er meinen, er könnt ihr nicht mehr in die Augen schauen. Ich hab seitdem schweres Mitleid mit ihm.

Meine Frage: Könnt der bedauernswerte Ehebrecher, obwohl der Protestant ist, nicht beim katholischen Priester zur Beicht gehen, und die Sach wär wie bei unsereinem wieder in Butter. Oder klappt die Beicht tatsächlich nur bei Katholiken und am Protestanten prallt jede Lossprechung ohne Wirkung ab?

Also, der Gotthold wollt am Anfang von unserem Gespräch zur Beichte gehen, aber dann auf einmal traute er der Lossprechungsvollmacht von unseren Priestern nicht mehr ganz. Die Protestanten sind bekanntlich Grübler. Und so hat mich der Gotthold zwei Tage nach dem langen Gespräch dann wie aus heiterem Himmel angeflaumt: „Joseph, was hat denn Euer Priester mit meiner Ehe zu tun? Wie soll der mich von meinem Seitensprung freisprechen können?“ Ihm wär dabei aufgegangen, von einem Seitensprung könnt unsereinen nur die eigene Frau freisprechen und die könnt uns am End sogar verzeihen. Da sehen Sie, Hochwürden, dem Protestanten seine Vorbehalte gegen die katholischen Sakramente.

Dadrauf wird der Protestant noch penetranter und zieht dem katholischen Priester seine Lossprechungsvollmacht komplett in Zweifel. „Nicht einmal bei Dir, Joseph, als einem braven Katholiken, kann der Pfarrer bei einer Affäre tatsächlich etwas bewirken, weil er ja nicht daran beteiligt ist. Im Grund geht den Pastor eine solche Sache überhaupt nichts an. Dir kann nach meinem Verständnis doch nur der verzeihen, dem wo von Dir übel mitgespielt worden ist. Alles andere ist Mumpitz!“

Schließlich hat sich der Gotthold als ein rabiater Antikatholiken bloß gestellt! Fragt der mich doch ganz am Ende unserer Diskussionen wie ein Blitz aus heiterem Himmel: „Wenn Du schon so ein strammer Verfechter der Beichte bist, warum nutzt Du sie selber kaum noch? Und Deine Glaubensbrüder ebenso?“ Ich war baff.

Was soll ich dem unverschämten Gotthold sagen? Sie können mir dafür sicher einen Tipp geben.
Ganz verwirrt grüßt Sie und wartet dringend auf Ihre diese Probleme klärende Antwort

Ihr
Joseph Bier

P.S.: Eines muss ich Sie dann doch privat fragen, warum belagert von uns keiner mehr die Kirche, um wenigstens an Allerseelen Ablässe zu gewinnen? Mit einem vollkommenen Ablass, könnt man doch jeden armen Sünder in einem Ruck aus dem Fegfeuer ziehen, und zack würde der von da ab Nektar und Ambrosia im Himmel genießen.

Sind wir Katholiken nicht einfach zu wurstig, diesen wunderbaren Mechanismus für unsere lieben Verstorbenen, die „armen Seelen“, zu nutzen! Die Protestanten haben sich den Ablass ja leichtfertig verscherzt.


© imprimatur Januar 2011
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