Joachim Frank
Mächtig gefördert: Der Münchner Erzbischof Marx wird Kardinal

Kardinal zu werden, das ist eine feine Sache. Zumindest dann, wenn einer Katholik und Priester oder Bischof ist. Als Kardinal gehört er zum exklusivsten Klub der ganzen Kirche. 203 Mitglieder sind es jetzt, nachdem der Papst am Mittwoch 24 neue Kardinäle ernannt hat.

Unter diesen sind zwei Deutsche, der langjährige Chefhistoriker des Vatikans, Walter Brandmüller, und Reinhard Marx, der Erzbischof von München und Freising.
Was ist der Reiz am Kardinalsdasein, mal abgesehen von den Gewändern in diesem überaus kleidsamen Purpurrot, das in jeder Versammlung sofort heraussticht? Die Kardinäle sind die entscheidenden Berater des Papstes, sie leiten die Ministerien im Vatikan, dort Dikasterien genannt, sie stehen in aller Welt an der Spitze der größten, mächtigsten und wichtigsten Bistümer. Und vor allem: Die Kardinäle dürfen, wenn sie unter 80 Jahre alt sind, den nächsten Papst wählen. Seit Jahrhunderten haben sie immer einen aus ihrer Mitte genommen. Deshalb genießen Kardinäle im weltlichen Protokoll auch den gleichen Status wie der Thronfolger in einer Erbmonarchie.
Wenn jemand sich in der Hierarchie so wohlfühlt wie Reinhard Marx, zu dessen barocker Erscheinung samt gern zelebrierter Vorliebe für gute Zigarren, gutes Essen und guten Wein einem sogleich der Titel "Kirchenfürst" in den Sinn kommt - wenn jemand obendrein so machtbewusst ist wie der 57-Jährige, der bei aller Leutseligkeit und Jovialität kirchenpolitisch nichts hat anbrennen lassen; wenn also jemand ein so unverstellt-positives Verhältnis zum eigenen Aufstieg hat wie Marx - dann ist die Kardinalserhebung die folgerichtige Krönung einer Karriere.

Und eigentlich musste sich Marx auch keine Sorgen darum machen. Die Münchner Erzbischöfe sind als Kardinäle gesetzt. Trotzdem liefen Gerüchte um, der Papst könnte ihn dieses Mal aussparen - und damit strafen. Hatte Marx nicht mit aller Macht auf die Abdankung des Augsburger Bischofs Walter Mixa hingewirkt, ein Vorgang, wie ihn die Kirche in Deutschland noch nie erlebt hatte? Und hatte nicht der Papst anschließend von den Bischöfen mehr brüderliche Empathie für Mixa verlangt, dem die Skandalbegriffe "Prügelexzesse", "homoerotische Kontakte" und "Alkoholmissbrauch" wie Bleigewichte anhingen? Mancher verstand die päpstliche Mahnung als Schelte für Marx' Brachialkurs.

Kirchenintern lässt sie sich besser mit einer "Good guy, bad guy-Logik" verstehen. Der Papst konnte sich gegenüber Mixa väterlich-mild geben, weil Marx zuvor harte Kante gezeigt hatte. Man kann auch sagen: Als die deutsche Kirche im Missbrauchsskandal so krachend vor die Wand fuhr, hat Marx für den deutschen Papst am Steuer den Airbag ausgelöst, geistesgegenwärtig und wohl kalkuliert. Immer ging es auch darum, seinem Vorvorgänger jedweden schmerzhaften Aufprall zu ersparen. Denn früh waren Vorwürfe laut geworden, der vormalige Erzbischof Joseph Ratzinger habe Missbrauchsfälle unzureichend verfolgt. Diese Vergangenheit ging in fluffigen Erklärungen früherer Ratzinger-Mitarbeiter unter.

In der Gegenwart schwang Marx im Kloster Ettal den Hirtenstab wie einen Dreschflegel. Die Bischöfe zwang er auf einen Sonderweg mit Nulltoleranz und strikter Anzeigepflicht - wohlgemerkt, die bayerischen Bischöfe, also auch Mixa aus Augsburg oder Gerhard Ludwig Müller aus Regensburg, beide bekannt für ihr Mantra, "die 68er sind an allem Schuld, und überhaupt sind wir die Opfer einer üblen Kampagne der kirchenfeindlichen Presse". Hätte solches Denken Oberwasser bekommen, es hätte die Misere der Kirche potenziert.

In diesem Licht betrachtet, wäre es nachgerade zum Schaden des Papstes gewesen, hätte er Marx jetzt nicht auf die Liste der künftigen Purpurträger gesetzt. Ob dem filigranen, leisen Intellektuellen in Rom der Westfale Marx mit seinem raumgreifenden Naturell liegt - das ist dann noch eine ganz andere Frage.

Klar ist jedenfalls, dass Marx nun auch für die Führung der Bischofskonferenz prädestiniert ist. Im ersten Anlauf, kurz nach seinem Wechsel von Trier nach München, stoppten die Bischöfe den Durchmarsch und gaben dem Freiburger Robert Zollitsch den Vorzug. "Nicht so viel Power auf einmal" - das war ein Motiv. Das andere formulierte ein Bischof aus dem liberalen Lager selbstbewusst so: "Einen solchen barocken Knaller brauchen wir nicht". 2008 war das. So schnell ändern sich die Zeiten. Die Bischofskonferenz ist paralysiert vom Missbrauchsskandal, die Liberalen sind in der Defensive - und der barocke Knaller wird Kardinal.

Joachim Frank ist Chefredakteur der Frankfurter Rundschau
Gesendet im Deutschlandfunk


© imprimatur Januar 2011
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