Jean-Paul Blatz
Jeder Mann hat die Frauen, die zu ihm passen

Matrosen, so sagt man, haben in jedem Hafen eine Braut. Wird man bald auch sagen müssen, dass die (jungen) Priester in jeder ihrer Kirchen eine Jungfrau haben? Sie haben die Liturgiereform des 2. Vatikanums erlebt. Sie haben gesehen, wie sich unsere Kirchen geleert haben, von Gipsstatuen und von Frommen, die sich vor ihnen verneigten und ihren Obulus spendeten. Im Zuge der Entdeckung, dass die Eucharistie eine Gemeinschaftsfeier ist, hat man den Ambo wieder ins Zentrum gerückt zur Verkündigung des Gotteswortes und den Tisch zum Teilen von Brot und Wein.

Man hat auch erfahren, bisweilen staunend, dass noch die bescheidensten unserer Dorfkirchen oft Kunstwerke enthielten, in die ihre Schöpfer ihr ganzes Talent und Herzblut investiert hatten. Leider wurden Ende des 19. Jahrhunderts, Anfang des 20. Jahrhunderts manche wertvollen Statuen auf die Speicher gestellt, wenn sie nicht gar beim Trödler landeten, um der Jungfrau von Lourdes oder der Hl. Therese Platz zu machen, wie man sie in einer Boutique im Pariser Viertel St. Sulpice kaufen konnte. Mit dem Aggiornamento des 2. Vatikanums hat man geglaubt, ein für allemal diese Kultgegenstände, fernab vom Geist des
Evangeliums und von erbärmlich schlechtem Geschmack, los zu sein.

Wenn Sie heutzutage zufällig zurück kommen sollten in die Kirche Ihrer Kindheit, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen haben, werden Sie vielleicht eine überraschende Erscheinung der Jungfrau erleben - meist jener von Lourdes, eventuell auch von Fatima: eine beeindruckende Statue von makelloser Weißheit auf einem Piedestal, direkt einer Fabrik in Shanghai entsprungen. Sie werden dabei auch in Erfahrung bringen, dass Ihr alter Pfarrer durch einen ganz jungen ersetzt wurde. Die Massenproduktion hat auch ihr Gutes, sie erspart Ihnen, sich immer wieder neu zurechtfinden zu müssen: Auch die anderen Kirchen der Pfarreiengemeinschaft haben ihre Jungfrau.

Man wird gewiss nicht sagen können, dass die jungen Priester keine Frauenbeziehungen haben. Das ist ihr gutes Recht. Christus hat ja auch viele Bräute – nicht dem Innenminister weitersagen, sonst droht Ausweisung wegen Polygamie! Warum soll die Jungfrau nicht auch ihre Bräutigame haben?

Man könnte über diese neue Invasion von Jungfrauen in die katholische Kirche lächeln, wenn sie nicht das dramatische Problem, welchen Platz die Frau in der Institution Kirche haben soll, verdecken würde.

Ernsthaftere Anmerkungen dazu sind nötig.

Wem kommt eigentlich in einer Pfarreiengemeinschaft die Aufgabe zu, über die Ausstattung und Ausschmückung der Gottesdiensträume zu entscheiden? Dem Priester, der nur gelegentlich eine Messe in der Kirche feiert und der seine Funktion als Pfarrer nur eine bestimmte Zeit ausübt? Oder den Laien, die das Innere des Gebäudes finanzieren und unterhalten (in Frankreich wird das Gebäude selbst in der Regel vom Staat unterhalten. Anm. d. Ü.) und die Bindungen von langer Dauer an einen Ort haben?

Es steht einem Pfarrer nicht zu, ohne Zustimmung der Pfarrangehörigen größere Umgestaltungen vorzunehmen – einen Tabernakel wieder hinter dem Hauptaltar aufzustellen, Statuen umzustellen… Es steht den Mitgliedern der Pfarrei ebenso zu, diese Zustimmung zu verweigern, wenn ein neues Ausstattungselement nicht harmonisch zur Qualität der ursprünglichen Möblierung passt. Mehrere Generationen von Frauen und Männern haben in der Schule Einführungen in die Kunst und ihre Geschichte erhalten. Es wäre gut, wenn sie sich daran erinnern, wenn es darum geht, die Schönheit unserer heiligen Räume zu erhalten.

Wir im Elsass beginnen von einer aus Polen kommenden Frömmigkeitsform überrollt zu werden, der des Barmherzigen Christus von Krakau, der einer polnischen Nonne, Schwester Faustina, erschienen ist. Dessen Verehrung vollzieht sich vor einem Christusbild von zweifelhaftem Geschmack, mit dem zunehmend die schönsten Barockaltäre Polens verunstaltet werden – eine Manie, die Deutschland erobert hat und nun auch einige elsässische Kirchen heimsucht.

Im Priesterseminar von Straßburg hatte man unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg die künftigen Priester in den wunderbaren Reichtum und die Schönheit der großen Kunstwerke christlicher Provenienz eingeführt. In ihrer Kindheit waren die Seminaristen eher mit Frömmigkeitsbildchen als mit großer Kunst vertraut gemacht worden. Heute verfolgt die Katholisch-theologische Fakultät an der Straßburger Universität das Anliegen, den Studierenden Geschmack für Kunst zu vermitteln. Die künftigen Priester können dabei von der günstigen Gelegenheit profitieren, dass unter ihren Lehrern sich der Autor eines Standardwerks zur christlichen Kunst befindet: Francois Boespflug, Dieu et ses images. Une histoire de l’Eternel dans l’art, Paris (Bayard) 2008. Hieran lässt sich der Kunstgeschmack sehr gut schulen: Das Schöne, Bild Gottes und Weg zu Gott – darin steckt eine ganze Theologie.

(Übersetzung aus dem Französischen von Werner Müller, in: Vagues d’espérance,r. 79 – September 2010)


© imprimatur Dezember 2010
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