Irmgard Rech
Ob das nicht die falschen Fragen sind?
Wie der Regens von Trier den Priesteramtskandidaten auf den Zahn fühlt

Alle, die sich für eine ehrliche und wirkungsvolle Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche einsetzen, erheben auch die Forderung, bei der Auswahl der Priesteramtskandidaten sorgfältiger vorzugehen. Zugleich ist dabei die Einsicht gewachsen, dass die Papstkirche eine Rundumerneuerung braucht, um bei den enttäuschten Gläubigen, die ihr in Scharen den Rücken zudrehen, sowie bei jungen Menschen wieder Achtung und Vertrauen zu gewinnen.

Nun hat sich tatsächlich die frohe Kunde verbreitet, die deutschen Bischöfe wollten über Reformen nachdenken. Zum Abschluss der Herbstvollversammlung hat ihr Vorsitzender Erzbischof Robert Zollitsch eine Dialoginitiative angekündigt, die im Laufe von zwei Jahren zu konkreten Reformvorschlägen führen soll. Als wenn es diese Reformforderungen nicht schon längst gäbe! In Gemeinden Österreichs, der Schweiz sowie in Frankreich werden neue Formen der Gemeindeleitung praktiziert. Denn die pastorale Not ist groß. Da ist es umso unverständlicher, dass die Kirchenführer mit altersstarrer Zähigkeit an einem Priesterbild festhalten, das hauptsächlich zum Niedergang beigetragen hat. Es lassen sich geradezu grotesk-komische Züge ausmachen, wenn aus dem Gefühl eitler Selbstgewissheiten so getan wird, als könne man aus den jungen Männern mit zielgerichteten Fragen noch die auswählen, die am besten geeignet sind, dem Pflichtzölibat zu entsprechen. In diesem Herbst sind drei Kandidaten ins Trierer Priesterseminar eingetreten.

Der Regens Michael Becker hat jüngst einige Fragen verraten, die er im Bewerbungsgespräch den Männern „gerne ins Gesicht“ stellt (SZ v. 25/26 Sept.). Schon gleich die erste Frage tut so, als befinde sich der junge Mann noch auf einer Frömmigkeitsstufe von kindlicher Einfalt: „Fragen Sie sich wirklich, ob der liebe Gott will, dass Sie diesen Weg gehen?“ So naiv die Frage klingt, sie verrät ein Priesterbild mit göttlichem Sendungsanspruch. Hinter jedem priesterlichen Handeln ist Gott selber zu sehen. Darin enthalten ist auch der Anspruch, Gott beruft nur die Männer. Frauen, die sich berufen fühlen, reden sich das nur ein. Die meisten Männer wollten Priester immer noch aus Liebe zu Gott und den Menschen werden, meint Becker, mit der Einschränkung „auch wenn sich das platt anhört.“

Doch diesen Eindruck wird man nicht los, denn keine Frage bezieht sich auf Jesus, keine Frage auf die verlassenen Gemeinden, keine auf die enorme Arbeitsanforderung in den Pfarreiengemeinschaften. Dafür wird nun diese Frage gestellt: „Sind Sie sich über ihre sexuelle Orientierung im Klaren?“ Hier wird Becker besonders streng: Er lässt es nicht durchgehen, wenn einer sagt: „Das mache ich mit mir selber aus.“ Jetzt passiert es, dass durch die Missbrauchsfälle die Sexualität wieder im Mittelpunkt steht. Die Strenge in diesem Punkt mag notwendig geworden sein, aber sie macht eklatant deutlich, in welcher Schieflage das Priesterverständnis durch den Pflichtzölibat gerät, die es als unreformierbar erweist. Ein kirchliches Gesetz prägt das Priesterleben so stark, dass die Eigenschaften eines guten Hirten zweitrangig werden und im Bewerbungsgespräch keine Rolle spielen, zumindest in dieser Zeitungsdarstellung unter der knalligen Schlagzeile „Ein Abenteuer im Dienste Gottes“.

Gesucht wird also ein Zölibatstauglicher mit göttlichem Sendungsbewusstsein, ein abenteuernder Einzelkämpfer. Das Berufsbild des Priesters wird in doppelter Weise von oben her bestimmt, von einem Gott, der ausschließlich Männer beruft, und von einer hierarchisch aufgebauten Führungselite, nicht aber vom Volk Gottes her, nicht von den notleidenden Gemeinden. Daraus ergibt sich das Bewusstsein einer mit sich zufriedenen und in sich verkapselten, erotisch bedürfnislosen Persönlichkeit, die nicht in Partnerschaft zu reifen braucht. Ein Mann mit dieser Erwählungsgewissheit wird immer abgehoben bleiben und braucht sich nie voll in eine konkrete Lebenssituation einbinden zu lassen.

Dass Eltern wenig verständnisvoll reagieren, wenn ihr Sohn Priester werden will, hängt nicht an deren gottloser Verweltlichung, wie Becker vermutet, sondern an einem als obsolet empfundenen kirchlichen Priesterverständnis.

Wäre nicht ein anderer Fragekatalog denkbar, der talentierte Jugendliche reizen könnte, einen sie geistlich erfüllenden Beruf in einer Kirche zu finden, die aus ihren schrecklichen Fehlern gelernt hat und die sich stärker vom jesuanischen Geist prägen lässt. Das könnten Fragen wie diese sein: Wie wollen Sie ihr Priestertum ganz aus dem Geist Jesu heraus gestalten? Welche Reformen halten Sie für dringend notwendig, damit ein kirchlicher Neuanfang gelingen kann?

Ganz wichtig wären auch Fragen, die prüfen, wie groß die Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist. Das weltweit operierende Goetheinstitut macht keinen zum Institutsleiter, dessen Teamfähigkeit nicht erprobt wurde. Fragen dieser Art wären: Sind Sie in der Lage ihre eigenen Fähigkeiten mit denen anderer so zu koordinieren, dass daraus ein gelungenes Projekt entsteht? Können Sie andere loben, die etwas können, was Sie nicht können? Können Sie Fehler vor anderen eingestehen? Können Sie öffentliche Kritik vertragen und kreativ verarbeiten? Können Sie andere um Rat fragen? Haben Sie den Willen, von andern etwas zu lernen?

Wie ein Amtsverständnis aus fraulicher Sicht aussieht, das zeigt uns die neue „geistliche Begleiterin“ der kfd auf Bundesebene, Bettina-Sophia Karwath. Schon die Überschrift des Artikels in der Mitgliederzeitschrift „Frau und Mutter“ mit einem Interview lässt die umgekehrte Blickrichtung erkennen. Gefragt wird „Wie Kirche entsteht“. Demnach dient ihr das neue Amt dazu, „Gemeinschaft zu bilden, Gemeinde aufzubauen“. Dabei weist sie hin auf die Laien, die „die Kirche tragen, denn ein Priester ist nichts ohne das Volk“. Und die Frauen, welche bei Becker keine Erwähnung finden, hält sie aufgrund ihrer lebensspendenden und lebensfördernden Eigenschaften für „privilegierte Laien“, die an der Basis vor Ort längst die Kirche bewegen, so dass darin für sie „die Zukunft der Kirche liegt“. In ihrer Verbandsarbeit eröffnen sich für Frau Karwath überregionale Möglichkeiten, Gemeinschaft in der Kirche zu leben. Auf solche verbandlichen Strukturen wird, so meint sie, die Kirche in Zukunft stärker zurückgreifen müssen, „weil es vor Ort nicht mehr so gut funktioniert“. Ihre Zustandsbeschreibung der derzeitigen Kirche lautet in aller Deutlichkeit, „dass wir es mit einer Krise des Amtes zu tun haben, nicht unbedingt mit einer Kirchenkrise. Und diese Krise des Amtes geht sehr tief.“ Ihr endgültiges Fazit: „So kann es mit dem Amt nicht weitergehen.“

Jedem Regens eines Priesterseminars wäre dieser prophetisch-zutreffende Blick zu wünschen.

(Frau Bettina-Sophia Karwath gehört der „Hauskirche fiat verbum“ an und lebt nach den evangelischen Räten – Ehelosigkeit, Gütergemeinschaft und Gehorsam in Marktheidenfeld.)


© imprimatur Dezember 2010
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