Irmgard Rech
Schluss mit der Unterwerfung
Katholische Frauen gehorchen ihrer Berufung und lassen sich zu Priesterinnen weihen

Auf dem Ökumenischen Kirchentag löste ein Freudscher Versprecher des katholischen Theologen Friedhelm Hengsbach vor einem großen Auditorium ein triumphales Massengelächter aus. Er hub einen liturgischen Merksatz an mit den Worten: „Jede katholische Pfarrerin und jeder Pfarrer ...“ Offensichtlich nahm er erst am ausbrechenden Applaus und Gelächter wahr, dass er etwas vorweggenommen hatte, was in der Kirchenwirklichkeit noch nicht existiert, was aber in den Köpfen und Herzen vieler Katholiken schon eine vertraute Vorstellung ist: die Priesterweihe für Frauen.

Alle, die dort mit ihrem Lachen den Triumph einer „Kopfgeburt“ gefeiert haben, werden, wenn sie zu diesem Buch greifen, ins verwunderte Staunen geraten: Sie lesen Tatsachenberichte von katholischen Priesterinnen und Bischöfinnen über ihren priesterlichen Dienst.

Was die römisch-katholische Kirche bisher immer gefürchtet hat, wenn sie der Frau den Zugang zu den Weiheämtern untersagt und den Pflichtzölibat ihrer Priester verteidigt hat, ist ein neues Modell des Priesteramtes und ein neues Modell von Kirche. Beides findet sich aber in diesem Buch, und zwar dargestellt als gelebte Realität von Frauen als Priesterinnen und Bischöfinnen. Und deshalb gibt es im jetzigen Augenblick einer umfassenden Krise der Männerkirche kein anderes Buch, das hilfreicher sein könnte, als dieses:

Frauen finden einen Weg: Die internationale Bewegung Römisch-Katholischer Priesterinnen
Elsie Hainz McGrath, Bridget Mary Meehan, Ida Raming (Hg.)
Theologische Orientierungen Band 13, LIT Verlag DR. W. Hopf Berlin 2009

Es gibt sie also schon, die gegenläufige Tradition zum männlichen Priestertum und zur Lehre und Praxis der katholischen Kirche, Frauen um des Geschlechtes willen von allen Weiheämtern auszuschließen. Am 29. Juni 2002 haben sich sieben Frauen aus Österreich und Deutschland öffentlich auf einem Schiff bei Passau von zwei Bischöfen zu Priesterinnen weihen lassen. Sie sind damit ihrer Berufung gefolgt und haben mit ihrer Ordination contra legem (gegen das bestehende Kirchengesetz c. 1024) ein „prophetisches Zeichen“ gesetzt. Sie berufen sich dabei auf das Bibelwort: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apg 5, 29) und auf die Handlungsweise Jesu, der lebensfeindliche Gesetze übertrat (Mk 2, 27). Dem Weg dieser Pionierinnen sind inzwischen weitere Frauen gefolgt, die sich wie diese nach der Diakoninnenweihe haben ordinieren lassen. So hat sich aus einem kleinen Anfang eine internationale Bewegung entwickelt, deren größte Gruppe sich „Römisch-Katholische Priesterinnen“ (RCWP) nennt. Zu ihnen gehören an die 100 Priesterinnen und Diakoninnen aus sechs verschiedenen Ländern. Ihre Leiterinnen haben ihren Sitz in Bayern. „Frauen finden einen Weg“ ist als deutsche Übersetzung des englischsprachigen Originals “Women find a Way“ die erste Buchveröffentlichung, durch die ein breiteres Publikum im deutschsprachigen Raum Einblicke in die Gesinnungen und Handlungen von geweihten Frauen dieser Reformbewegung erhält.

Auch Frauen fühlen sich zum Priestertum berufen

Mit großer Offenherzigkeit beschreiben Frauen aus Deutschland, Österreich, Jugoslawien, Südafrika und aus allen Teilen der USA und Kanada ihren oft bitteren Weg, den sie gegangen sind bis zu dieser Entscheidung, ein Gesetz zu übertreten, das Berufungen von Frauen zum Priestertum unterdrückt. Mit diesen biographischen Berichten haben sie eine religiös-literarische Gattung geschaffen, die weder in der Bibel noch im Schrifttum anderer Religionen vorkommt: die Berufungsgeschichte weiblicher Priester und Prophetinnen. Leserinnen und Leser – auch die amtsmächtigen geweihten Männer, können sich hier überzeugen: Auch Frauen fühlen sich zum Priestertum berufen. Diese vielfach theologisch graduierten und akademisch lehrenden Frauen sind sich ihrer göttlichen Berufung nach langer, ernsthafter Prüfung sicher geworden und verstehen ihren Weiheakt zum einen als einen „historischen Schritt für die Frauenbefreiung“ in der Kirche, zum andern als prophetischen Aufbruch in eine erneuerte Kirche.

In 28 Kapiteln bezeugen Frauen, wie die Entscheidung zur illegalen Priesterweihe sich aus ihrem Leben heraus entwickelt hat und mit wie viel Beglückung und innerem Frieden sie ihr Priestersein leben. Und sie halten nicht hinterm Berg mit der Offenlegung ihrer Schmerzen und seelischen Belastungen, ihrer Demütigungen und Erniedrigungen. Und wenn derzeit von den seelischen Verletzungen die Rede ist, die Priester Kindern und Jugendlichen angetan haben, dann ist jetzt auch die Zeit gekommen, die seelischen Verletzungen der Zurücksetzung, der Abwertung und Entwürdigung nicht weiter zu verschweigen, die Frauen in der Männerkirche zugefügt wurden und immer noch werden.

Es stellen sich zuerst die Frauen vor, die 2002 auf der Donau bei Passau ordiniert wurden. In den Kapiteln acht bis elf entwickeln drei führende Frauen der RCWP ihre Reformperspektiven, aus denen heraus sie das Ausbildungsprogramm gestalten und neue Gemeindeformen praktizieren. Danach kommen Frauen aus Kanada und unterschiedlichen Teilen Nordamerikas zu Wort.

Nach dem Vorbild der tschechischen Untergrundskirche

Allen Texten vorangestellt ist das Allgemeine Dekret der Kongregation für die Glaubenslehre vom 29. Mai 2008, mit dem latae sententiae alle Frauen, die ordiniert werden, und alle Bischöfe und Bischöfinnen, die sie ordinieren, mit der Exkommunikation bestraft werden. Sodann informiert Ida Raming, eine der geistigen Mütter der Bewegung, über die Situation der Frauen in der römisch-katholischen Kirche, angefangen von der Mitarbeit in der frühkirchlichen Missionsbewegung bis zur Herausbildung eines unerbittlichen Nein zur Priesterweihe von Frauen, das Johannes Paul II. mit seinem apostolischen Schreiben von 1994 zur unfehlbaren Lehre erhoben hat. Die Ordination contra legem der sieben Frauen 2002 wird, als der derzeit einzig mögliche Ausweg aus der ohnmächtigen Lage gesehen, zu der auch der Priestermangel gehört. Vorbild sind die Weihen in der ehemals tschechischen Untergrundkirche. Am Schluss steht die stolze Feststellung: „Die Bewegung wächst.“

Wer die aufrichtigen Bekenntnistexte dieser Frauen liest, kann ihr Handeln nicht mehr schnellfertig als bloßes Theater heruntermachen. Die „heilige Geistkraft“, von der sie Zeugnis geben, werden aufgeschlossene Leser tatsächlich als neues Leben spüren, das aus den Ruinen einer zusammenbrechenden Kirche aufblüht.

Diese Texte wirken ehrlich und können jedem Amtsträger die Augen öffnen für das Leiden der Frauen, die genau wie Männer in sich eine starke Berufung zum Priesterberuf spüren. Dass ein ungerechtes Gesetz Frauen demütigt, das gesamte Klima in der Kirche vergiftet, das wird hier überzeugend vermittelt. Aber sie fanden auch immer wieder einzelne Priester und Ordensmänner, die ihre Berufung als geistgewirkt erkannten und sie bei der Erstellung eines Ausbildungskonzeptes unterstützten. Die Initiatorin hierbei ist die Lehrerin Christine Mayr-Lumetzberger. Sie hebt die „konstruktiven Beiträge vieler priesterlicher Freunde“ ausdrücklich hervor. Nachdem die Plattform „Wir sind Kirche“ in Österreich 1999 das Studienprogramm einstimmig approbiert hatte, begann die Ausbildung unter ihrer Leitung. Schließlich fanden auch zwei Bischöfe den Mut, sieben Frauen mit dem kirchlichen Ritus der Handauflegung die Weihe zu spenden. Da diese Bischöfe in der apostolischen Tradition stehen, verstehen die Frauen ihre Weihe als gültig, wenn auch contra legem. Wenig später ließen sich zwei der sieben Frauen auf den Rat eines dritten Bischofs von nun drei Bischöfen zu Bischöfinnen weihen. Das geschah nicht öffentlich, sondern – als sei es ein Verbrechen - hinter verschlossenen Kirchentüren „Die Namen der Bischöfe müssen geheim bleiben“, schreibt Dr. Gisela Forster (inzwischen selbst zur Bischöfin ordiniert) in ihrem Bericht „Der Start. Die sieben Priesterinnen von der Donau und die heldenhaften Bischöfe“ und fährt fort: „Aber alle Namen und Personen sind notariell aufgenommen, und wenn der Tag kommt, an dem offen über die Priesterinnenweihe geredet werden darf, dann werden die Dokumente geöffnet und der römisch-katholischen Weltgemeinschaft übergeben.“

Die Wörter „Kleriker“ und „Laie“ gibt es nicht mehr

Worin besteht nun der Paradigmenwechsel, zu dem diese Frauen sich auf den Weg gemacht haben? Warum legen sie Wert darauf, sich mit dem bestehenden Weiheritus für Männer in das römisch-klerikale Ordinationssystem einzureihen, obwohl sie ein neues Modell von Kirche und Gemeinde und ihrer Amtsträger initiieren wollen?
Bischöfin Dr. Patricia Fresen, gewesene Dominikanerin in Johannesburg, jetzt internationale Koordinatorin des Ausbildungsprogramms, argumentiert aus ihren südafrikanischen Erfahrungen heraus: “Wir ordinieren, weil wir uns in einer Zeit des Übergangs befinden. Wir müssen für Frauen das gleiche Recht einfordern, ordiniert zu werden, wie es Männern zusteht. Und wir haben keine andere Wahl als dies ,contra legem’ (gegen das Gesetz) zu tun: nämlich ein ungerechtes Gesetz zu brechen und dennoch fest in der römisch-katholischen Kirche zu bleiben. Dies haben wir auch in Südafrika getan, um das ungerechte Apartheid-System zu überwinden.“ (60) Dann spricht sie von neuen Entwicklungen in ihren Gemeinden und Hauskirchen, auch von dem neuen Amts- und Gemeindemodell der holländischen Dominikaner (vgl. imprimatur Nr. 08/2007), dem sie sich annähern. Gegen das gegenwärtige Modell einer „versorgenden Kirche“ setzen sie ein inklusives Modell geteilter Vollmacht. Die Wörter „Kleriker“ und „Laie“ gibt es nicht mehr, die Gemeinde feiert die Eucharistie gemeinsam, die Einsetzungsworte können von allen gesprochen werden. Das Priesteramt ist dienendes Leitungsamt, in Zukunft könnte auch dann die Sukzession gewahrt sein, wenn bei der Ordination die Handauflegung von der Gemeinde vollzogen würde.

Jetzt ist die Zeit

Bezeichnend für die Bescheidenheit all dieser von Rom mit der Exkommunikation bestraften Frauen sind die Broschüreform des Buches und die Fotos. Keine Herausstellung durch Portraitfotos wie es bei geweihten Priestern üblich ist, kein Foto einer versammelten strammen Truppe, in der z. B. die konservativen Priester der Legionäre Christi geradezu beängstigend als Kompanie sich postieren. Selbst das Cover zeigt kein Hochglanzfoto. Zu sehen ist das Bild einer verwirklichten Geschwisterkirche von geweihten Männern und Frauen in einfacher liturgischer Kleidung um einen runden Tisch mit Wein und Brot. Die Gesichter der anwesenden geweihten Männer sind schwer zu erkennen. Sollte das ein Schutz sein? Müssen sich in der katholischen Kirche die Männer verstecken, die Frauen als Mitschwestern im priesterlichen Beruf haben wollen? Die ganze Tragik und der beschämende Skandal der männergelenkten katholischen Kirche inmitten einer Gesellschaft der Geschlechtergleichheit enthüllt sich mit diesem Bekenntnis von Dagmar Braun Celeste (zur Priesterin ordiniert 2002 auf der Donau): Um der ganzen Kirche neues Leben bringen zu können „mag die Exkommunikation ebenso notwendig auf diesem Lebensweg sein, wie es die Kreuzigung Jesu Christi war.“ (56) Das mag übertrieben klingen. Zu fragen wäre aber, wer die wirklich Überspannten sind und wer sich hier wirklich schuldig macht: diese Frauen oder die Männer der Kirche, die diese Frauen strafen und ausstoßen!

Die Berufungsgeschichten dieser Frauen, die fest überzeugt sind, dass „Gottes Geistkraft sie in diese Richtung führt“, und die dabei auf Menschen treffen, die aus einem sensus fidelium heraus Gemeinden um diese ordinierten Priesterinnen bilden, verbreiten die Zuversicht: „Die Menschen sind bereit. Jetzt ist die Zeit!“


© imprimatur Oktober 2010
Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Sagen Sie uns Ihre Meinung zu diesem Artikel!
Bitte füllen Sie die folgenden Felder aus, drücken Sie auf den Knopf "Abschicken" und schon hat uns Ihre Post erreicht.

Zuerst Ihre Adresse (wir nehmen keine anonyme Post an!!):
Name:

Straße:

PLZ/Ort:

E-Mail-Adresse:

So und jetzt können Sie endlich Ihre Meinung loswerden: