Wolfgang Dettenkofer
Einigendes, Divergierendes und Beharrendes auf dem 2. Ökumenischen Kirchentage
Beobachtungen am Jakobsbrunnen von Wir sind Kirche und an den Agora-Ständen von „Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen“ und „Initiativgruppe vom Zölibat betroffener Frauen“

In der Planung des 2. Ökumenischen Kirchentages mussten zwei Kirchenleitungen notgedrungen gemeinsam an die Arbeit gehen. Die Erfahrung, dass den Kirchenleitungen etwas aus dem Ruder laufen könnte, standen massiv im Raum. Nur keine gemeinsame Eucharistie-Abendmahl-Feier! So weit sind wir wegen eines verschiedenen Amtsverständnisses noch nicht. Es ist ja schon emotional einigermaßen schwer für zölibatäre katholische oder orthodoxe Amtsträger, zusammen mit einer evangelischen Bischöfin zu beten oder Gottesdienst zu feiern. Eine Frage scheint keine Beantwortung aufkommen zu lassen: Wer steht in der Nachfolge des Jesus von Nazareth: wer auf einem apostolischen Stuhl zu sitzen behaupten kann (Tradition, Sukzession, orthodoxe Autokephalie) oder wer den Geist Jesu hat (Evangeliumsnähe im prophetischen Hier und Heute, im geistgewirkten Aggiornamento). Die Fronten verlaufen heute längst nicht mehr nach Landesgrenzen oder Konfessionen. Das schmerzlichere Schisma ist zwischen falsch verstandener Tradition, museale Besitzstandwahrung, pathalogischen Ängstlichkeit aus einem falschen Gottesbild heraus, einem unmündigen, unbedarften und bequemen Kinderglauben, einer hierarchischen Führung, die sich geheimnisvoll und in Weihrauch gehüllt gibt einerseits und andererseits ist da die Gefahr, dem Zeitgeist aufzusitzen oder doch dessen verdächtig zu sein, zu gern nur mit tagespolitschen oder sozialen Kategorien an die Sache Jesu heranzugehen, ein Säkularismus ebenso böse wie der atheistische Kommunismus, einen konziliaren Prozess einzufordern, der so eigentlich innerhalb der Kirche nie initiiert wurde. Sodann haben beide Seiten immer noch das Gefühl und Bedürfnis, stets auch ganz auf der richtigen Seite zu stehen und das Misstrauen gegen alles Andersgeartete und Mannigfaltige, das Neue und Fremde baut unüberwindliche Mauern auf.

Die auf dem Ökumenischen Kirchentag in München waren oder über die Medien Anteil nahmen, konnten eine neue Schubkraft erleben hin zu einer Kirche, die nicht im Unverbindlichen stehen bleibt und in ihrem Reservat das eigene Profil pflegt. Das gläubige Volk nimmt den Steuermännern nicht mehr ab: „Alles im Griff – auf dem sinkenden Schiff“. Diese Leute wollen auch nicht ihre Zuflucht nehmen zur kleinen „auserwählten“ Herde. Reformen, Kurskorrekturen hin zum Wesentlichen an der Botschaft Jesus sind überfällig – und dies nicht am Sankt Nimmerleinstag, sondern jetzt.

Die KirchenVolksBewegung bekam viel Anerkennung für Selbstverständlichkeiten. Notgedrungen stellen heute Bischöfe Forderungen in den Raum, für die „Wir-sind-Kirche“ noch vor gar nicht langer Zeit außerhalb der rechten Lehre und Disziplin der katholischen Kirche gestellt wurden.

Mit zwanzig Gesprächsrunden am Jakobsbrunnen, einer Menschenkette zwischen den beiden Bischofskirchen, sieben Thesen „Wider die Resignation in der Ökumene“ haben wir diesen fünf Tagen unseren Stempel aufgedrückt.

Wir haben zusammen mit der Initiativgruppe vom Zölibat betroffener Frauen 3156 Unterschriften für die Abschaffung des Zölibatsgesetzes gesammelt. In einem Gästebuch konnte man Pro und/oder Kontra-Argumente zum Zölibat aufschreiben.

Ich habe Weihbischof Siebler, München, der vorbei kam, gebeten, ein gutes Argument dafür in unser Buch zu schreiben. Er hat nur mit dem Kopf geschüttelt. Nun nehme ich nicht an, dass er keines parat hatte, sondern ich fürchte, dass er sich mit unsereinem, mit "Eidbrüchigen", nicht gemein machen wollte.

Der Sensus Fidelium an der ökumenischen Basis divergiert mit den von Rom vorgegebenen Leitlinien deutlich. Mag das Charisma des Zölibats noch so sehr als kostbares Gut hoch gelobt werden, die Gläubigen wissen um die allzu irdischen und leibfeindlichen Beweggründe, die daraus 1139 ein Gesetz werden ließen. Alle nachträgliche Vergeistigung mit eschatologischer Zeichenhaftigkeit und Gleichgestaltung mit dem jungfräulichen Bräutigam Christus ist nicht überzeugend dort hinüber zu bringen, wo eine gewachsenen Gemeinde abgestraft wird mit dem Entzug der sonntäglichen Eucharistiefeier, weil sie angeblich nicht genügend zölibatäre Primizianten vom Himmel erbetet haben wie dies damals Kardinal Joseph Ratzinger 1982 in seinem Buch „Theologische Prinzipienlehre“ bereits festgeschrieben hat. Und daran wird sich nichts ändern, bis die katholische klerikale Kirche an die Wand gefahren ist. Die Kirchenaustrittszahlen sprechen eine deutliche Sprache, berühren aber scheinbar die Bischöfe nicht wirklich. Sie werden ja mit staatlichen Steuermitteln bezahlt. Und der Vatikan zweifelt ja eh am deutschen Kirchensteuersystem, aber nur deshalb, weil er weiß: wer zahlt, möchte auch anschaffen oder wenigstens mitreden und da ist er sich nicht sicher, dass er immer auch solche Bischöfe an die wichtigen Stellen zu bringen vermag, so dass das Geld auch ohne an Bedingungen geknüpft zu sein in den Vatikan fließt.

Die Theologen können noch so sehr herausstellen: Das Opferpriestertum des Alten Testament ist im Neuen Bund abgeschafft. Da ist eine "neue Schöpfung", wo nicht mehr gilt Beschnittensein oder Unbeschnittensein, wo es egal ist, ob jemand als Mann oder als Frau Christus nachzufolgen sich alle Mühe gibt.

Unser Papst geht in seiner Nostalgie rückwärts auf 491 Pius-Brüder zu, an die 80.000 Priester haben das unauslöschliche Siegel des Ordo empfangen und haben dennoch auch ihr biblisches Recht auf Ehe geltend gemacht, diese alle existieren für diesen Papst nicht. Dies ist ein Schisma in der Form, das das kirchliche Lehramt nicht hinhört, "was der Geist den Gemeinden sagt". Zeitgeist ist nicht, dass heute 19-jähige Jünglinge nicht mehr bereit sind, ihre Sexualität auf den Opferaltar der katholischen Hierarchie zu legen, um im Vollsinn einmal Seelsorger sein zu können, - Zeitgeist ist, wenn die katholische Kleruskirche all ihre gesellschaftlichen Privilegien zu retten versucht blindlings vorbei an Jesu Reich-Gottes-Einsatz für Gerechtigkeit, Friede und Mitfühlen mit allen Geschöpfen.

Vielleicht ist in einem halben Jahr dieser „Event“ längst vergessen, genau so wie der gleichzeitige Trip Papst Benedikts nach Fatima. Der Kirchentag war in einem unterkühlten Mai des Jahres 2010. Die Zeitumstände waren so, dass die Eiterbeule der sexuellen Gewalt gerade in den Wochen vorher auch in Deutschland aufgebrochen war. Und einmal mehr hat sich gezeigt und hat sich gerächt, dass unwürdige und unfähige Bischöfe wie Groer, Krenn, Mixa, GL Müller an jeglicher Mitbestimmung des Volkes Gottes vorbei ins Amt gekommen sind.

„Wir-sind-Kirche“ ist keine sexistische Sekte, wie diese Reformbewegung vom Papstbruder diffamiert wird (und sein Bruder ist angeblich „zu klug, um das laut zu sagen!“). Nein, die ökumenisch gesinnten und zukunftsorientierten Gläubigen denken mit und prüfen den Anspruch in den fünf Grundforderungen und sehen die Parallelen zum Montag-Gebet in Dresden und dem DDR-Mauerfall.

Mag sein, dass Päpste und Bischöfe es aussetzen können, bis eine Vereinigung wie die der verheirateten Priester und ihrer Frauen durch die biologische Lösung wieder verschwindet. Sie werden es zu verantworten haben, dass sie zum Priestertum Berufene in schwerste Gewissenskonflikte gebracht haben und ihnen und ihren Frauen und Kindern Ehre und Menschenwürde oftmals genommen haben.

Eines hat sich auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag ganz klar gezeigt: Die Gläubigen von heute sprechen dem Priester ganz selbstverständlich zu, dass er seine Lebensform selbst wählt und „einmal verheiratet sei und seinem Hause wohl vorzustehen wisse“, wie es in 1 Tim 3,2-5 und Tit 1,7-8 so schön geschrieben steht. Und in 1 Tim 4,1-5 ist zu lesen: „Gottes Geist sagt uns ausdrücklich, dass sich in Zukunft manche von Gott abwenden werden, weil sie falschen Propheten hinterherlaufen und teuflischen Lehren glauben. Diese Verführer sind durch und durch verlogen, ihr Gewissen haben sie zum Schweigen gebracht. Sie verbieten, zu heiraten oder bestimmte Speisen zu essen. Dabei hat Gott doch alles geschaffen, damit jeder, der an ihn glaubt und seine Wahrheit erkannt hat, auch diese Dinge dankbar von ihm annimmt. Durch das Wort Gottes und das Gebet wird alles rein; nichts kann uns da von Gott trennen.“

Über die Ansprüchen an das kirchliche Amt ist nachzudenken, noch mehr, es ist höchste Zeit, dass wir eine praktische Bekehrung hin zum Neuen Testament schaffen, bevor die klerikale Kirche so ähnlich zu Grund geht wie 1803 barocke Prachtbauten der Wut des Volkes zum Opfer fielen, weil die Kirche es nicht schaffte, auf Macht, Pracht und Reichtum von sich aus freiwillig - in der Nachfolge des Mannes von Nazareth - zu verzichten.

(Die Kirchenvolksbewegung hat punktgenau das Buch des Bischofs Geoffrey Robinson von Sydney in Publik Forum Edition übersetzt und herausgebracht „Macht, Sexualität und die katholische Kirche“ Eine notwendige Konfrontation. Die verantwortlichen Kirchenführer werden es möglicherweise kaufen, sie werden es aus Trägheit des Herzens ungelesen weglegen wie damals 1989 schon das Buch von Eugen Drewermann, Kleriker Psychogramm eines Ideals.)


© imprimatur Oktober 2010
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