Bischof Samuel Ruiz García
Bischof Oscar Arnulfo Romero: Märtyrer der Gerechtigkeit und der Option für die Armen
Predigt des Bischofs em. von San Bartolomé de Las Casas Chiapas /Mexico in der Krypta der Kathedrale von San Salvador am 24. März 2010 zum 30. Jahrestag des Martyriums von Bischof Romero

Grüße

Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Schwestern und Brüder im Gemeindedienst, Priester, Pastorinnen und Pastoren, Ordensfrauen und Ordensmänner aus den verschiedenen Konfessionen und Kongregationen, die heute Nachmittag hier beisammen sind;

liebe solidarische Schwestern und Brüder, die ihr von allen Himmelsrichtungen des Planeten hier zusammengekommen seid;

liebe Schwestern und Brüder aus El Salvador, die ihr uns bei Euch aufgenommen habt.

Ich halte es für ein unverdientes Privileg, heute der Eucharistiefeier vorstehen zu dürfen, mit der wir das Gedenken an den 30. Jahrestag des Pascha und des Martyriums von Oscar Arnulfo Romero y Galdámez, unserem geliebten Bischof, begehen!
Ich verdanke diese Ehre den Schwestern und Brüdern der Krypta-Gemeinde „Oscar A. Romero“ in dieser Kathedrale. An ihnen erkenne ich unmittelbar, wie unerschütterlich sie an eben diesem Ort die Erinnerung an Romero lebendig gehalten haben: Herzlichen Dank, liebe Schwestern und Brüder, ganz herzlichen Dank! …

Schwestern und Brüder!
Meine Augen nehmen ein wahrhaft überraschendes und erstaunliches Ereignis wahr. Denn hier in der Krypta bei den Toten entdecke ich nicht die Zeichen des Todes, sondern des Lebens. Ich nehme keine Gesten schwermütiger Trauer oder gar von Apathie wahr, sondern dass ein mächtiger Schub Energie diesen Raum erfüllt. Ich sehe keine schmerzerfüllten und resigniert-trübsinnigen Gesichter, sondern hoffnungs- und glaubensvolle Blicke, die ansteckend wirken…

Wir schauen von hier aus nicht auf das Grab eines Toten – genauer: auf das eines Ermordeten –, sondern auf eine hellleuchtende Fackel, die uns in den vergangenen drei Jahrzehnten bei dem Bemühen um den Aufbau des von Jesus verkündeten Reiches Gottes die Richtung gewiesen hat. Wieder erlebe ich das gleiche Erstaunen wie am Palmsonntag vor dreißig Jahren, als ich gemeinsam mit Kardinal Corripio Ahumada und Bischof Sergio Mendez Arceo von Mexiko kam, um dem Volk von San Salvador beim Trauergottesdienst um Bischof Romero nahe zu sein. An jenem Palmsonntag verloren zig Brüder und Schwestern ihr Leben, weil sie durch mörderische Schüsse – von den Dachterrassen der rings um den Domplatz liegenden Häuser abgefeuert – brutal unterdrückt und massakriert wurden; einfache Leute aus dem Volk, die der Repression zum Trotz nur gekommen waren, um ein letztes Mal das friedliche Antlitz ihres Hirten zu sehen und anzuerkennen, was er in den drei kurzen Jahren als Erzbischof von San Salvador für sie getan hatte.

Damals wie heute erstaunt mich die tiefe Überzeugung, dass diese schändlichen Ereignisse das Licht nicht zum Erlöschen haben bringen können, dass vielmehr ein Osterfeuer entzündet wurde, das uns umringt, uns brennende Wärme spendet und mit Leidenschaft erfüllt, aber niemals ausgelöscht werden kann. Dieses Feuer und dieses Licht sind so stark, dass sie bereits Grenzen und Meere, die unsere Kontinente voneinander trennen, übersprungen haben.

Die von Romero entzündete Flamme brennt, solange eine oder einer von uns sich dafür einsetzt, sie am Leben zu erhalten, wie die Krypta-Gemeinde das tut.
Vor dreißig Jahren durchlebte die Welt eine tiefe Krise, weil ein bestimmtes wirtschaftlich-politisches System durchgesetzt werden sollte. Tausende von Menschenleben sollten geopfert werden, damit es überhaupt existieren konnte. So wurden Männer und Frauen zu unschuldigen Opfern für die Gier und den Egoismus einer weniger gemacht. Dieses System militarisierte die scheinbar demokratische Gesellschaft und schuf paramilitärische Gruppen, um möglichst ungehindert und reibungslos
operieren zu können. Damit begann eines der traurigsten Kapitel unserer jüngsten Geschichte.

Immer noch dreht sich mir das Herz um, wenn ich an die Mütter denke, die damals durch die Gefängnisse und Hospitäler liefen, um nach ihren verschwundenen Söhnen und Töchtern zu suchen. Immer noch bin ich empört, wenn ich mir die verstümmelten Leichen in Erinnerung rufe, die auf die Müllhalden geworfen und von Raubtieren angefressen waren.

Immer noch trauern wir um die 75 000 Toten dieses Krieges, in dem „Amerikas Däumling“ verblutete; immer noch trauern wir um die tausenden von Frauen und Männern, die als Märtyrer in ganz Lateinamerika ihr Blut für die grundlegenden Menschenrechte vergossen haben, für das Recht auf ein würdevolles Leben, für das Recht auf Gerechtigkeit, für das Recht auf Frieden.

Mir geht es nicht darum, die Wunden wieder aufzureißen, die langsam immer mehr vernarbt sind. Aber wir können heute nicht an Bischof Romero erinnern, ohne den Kontext zu berücksichtigen, in dem er als Mensch, Hirte und Bischof zu leben hatte. Das würde dem historischen Gedächtnis des salvadorianischen und lateinamerikanischen Volkes nicht gerecht, Das würde außerdem die Familienangehörigen der Opfer beleidigen, deretwegen er sein Leben hingab.

Weltweite Bedeutung Romeros

Bischof Romero lebt immer noch in seinem Volk – wie er selbst vorhersagte –, aber er ist nicht nur als Mann der Kirche und als Bischof gegenwärtig, sondern auch in einem soziologischen Sinne. Er ist gegenwärtig als kulturelle und politische Größe (im weitesten Sinn des Wortes verstanden, und ich hoffe, man versteht es so), er gehört zur Realität und – was noch mehr überrascht – zur Zukunft Lateinamerikas. Man muss mit ihm rechnen, wenn man die Geschichte nicht nur dieses geliebten Volkes von El Salvador, sondern des gesamten Kontinentes gestalten will.

Ich hoffe, unsere Schwestern und Brüder aus El Salvador fühlen sich nicht brüskiert, wenn ich ihnen sage – und ich meine es voller Zuneigung und Dankbarkeit: Ihr hattet das Glück, mit Bischof Romero zusammenzuleben. Ihr hattet das Privileg, ihn zu berühren und zu hören. Ihr habt ihn hier in der Kathedrale bei Euch und haltet bei ihm Wache. Aber seit drei Jahrzehnten ist Bischof Romero ein Mensch von weltweiter Bedeutung, er gehört der gesamten Menschheit, gehört nicht mehr nur einer Gruppe oder einem Verein. Sein Reden und Tun hat alle Grenzen zwischen Menschen überwunden. Gott selbst hat sein Lebensopfer angenommen und ihn uns geschenkt. Er soll Hoffnung und Befreiung für alle Frauen und Männern bezeugen, die ihr Leben für die gleichen Ideale einsetzen, für jene Ideale, die letztlich von der Nachfolge und der Fortführung des Werkes Jesu zum Aufbau des Reiches Gottes inspiriert sind. Leben, Denken und Werk von Bischof Romero sind wirklich zu einem Sakrament der Verbundenheit und Solidarität zwischen den Völkern der Welt geworden. Darum sind wir hier bei Euch, um Euch zu danken und diese universale Bedeutung von Bischof Romero anzuerkennen.

Ich erinnere daran, dass am 29. März 1980 eine Gruppe von Bischöfen ein Dokument unterzeichnet hat, in dem es hieß:

Drei Dinge bewundern und verdanken wir der Wahrnehmung des Bischofsamtes durch Bischof Oscar Arnulfo Romero: erstens war er ein Verkünder des Glaubens und ein Lehrer der Wahrheit; zweitens war er ein hartnäckiger Verteidiger der Gerechtigkeit und drittens war er den Unterdrückten und Armen, den Bauern, den Arbeitern, den Bewohnern der Armensiedlungen ein Freund, ein Bruder und Beschützer. Bischof Romero war deshalb ein beispielgebender Bischof, weil er in einem Kontinent, der so grausam von der Armut der großen Mehrheit der Menschen gezeichnet ist, ein Bischof der Armen gewesen ist. Er hat mit ihnen gelebt, sich ihre Sache zu Eigen gemacht und das gleiche Schicksal erlitten wie sie, nämlich Verfolgung und Martyrium. Bischof Romero ist zum Symbol der Kirche und des Kontinentes geworden, wirklich ein leidender Gottesknecht, der die Sünde von Ungerechtigkeit und Tod in unserem Kontinent auf sich genommen hat. […] “

„…Seine Ermordung kam für uns nicht überraschend“ – fährt das Dokument fort – „denn wenn er sich treu an Jesus orientiert und das Leid unserer Völker auf sich genommen hatte, musste er das gleiche Geschick erleiden. Sein Tod ist kein Sonderfall. Sein Tod bezeugt jene Kirche, die in Medellín und Puebla auf der Basis des
Evangeliums die Option für die Unterdrückten und Armen traf. Deshalb begreifen wir nach dem Martyrium von Bischof Romero besser, was der Tod durch Hunger und Krankheit ständig in unseren Völkern anrichtet, wie viele Kreuze den Weg unseres Kontinentes in diesen Jahren säumen, wie viele Menschen das Martyrium erlitten, wie viele Bauern, einfache Leute, Arbeiter, Studierende, Priester, pastorale Mitarbeiter, Ordensschwestern, Bischöfe eingekerkert, gefoltert, ermordet wurden, weil sie an Jesus Christus glaubten und die Armen liebten. Ihr Tod ist wie der Tod Jesu durch die Ungerechtigkeit der Menschen verursacht und wird zugleich zum Samenkorn für die Auferstehung.“ (Kommunique verschiedener Bischöfe vom 29. März 1980.)
Diese weltweite Bedeutung hat Romero sich nicht nur durch sein eigenes Handeln verdient. Sie ist ihm zuerkannt worden, weil die unschuldigen Opfer der Kriege weltweite Bedeutung haben, weil die arm gehaltenen Menschen an allen Orten und zu allen Zeiten weltweite Bedeutung haben, weil das Volk Gottes, das seine Hoffnung im Glauben an „den neuen Himmel und die neue Erde“ lebt, weltweite Bedeutung hat.

Unsere Realität

Heute im Jahre 2010 erleben wir, wie die aus dem vergangenen Jahrhundert ererbte Krise in einem neuen Zeitabschnitt immer weiter um sich greift. Das wirtschaftlich-politische System, das uns die Mächtigen mit ihren Götzen von Geld, Gewinn und zukünftigen Renditen aufzwingen, schließt mehr als 70 % der Menschheit von der Teilhabe an den Reichtümern aus, die allen gehören.

Tausende Mädchen und Jungen sterben jährlich an Hunger und heilbaren Krankheiten. Jugendlichen wird die unentgeltliche, befreiende Schulbildung vorenthalten, die sie davor bewahren würde, in das Netz von Alkoholismus, Drogensucht bzw. Bandenwesen zu geraten.

Technologischer Fortschritt führt nicht zu einem besseren Leben, sondern treibt Millionen von Frauen und Männern in die Arbeitslosigkeit. Sie sind darüber verzweifelt, dass sie nicht über die notwendigen Mittel verfügen, ihre Familien menschenwürdig unterhalten zu können. Diese Verzweiflung treibt viele Schwestern und Brüder in das gefährliche Abenteuer der Migration. Wie oft hören wir davon, dass Migrantinnen und Migranten dem Missbrauch, der Gewalt und dem Tod zum Opfer fallen, weil sie in die Netze von Menschenhändlern, Polizeikräften oder paramilitärischen Gruppen geraten.

Transnationale Unternehmen verschlingen gnadenlos die natürlichen Ressourcen des Planeten, ohne Rücksicht zu nehmen auf Gesundheit und Wohlergehen der heutigen bzw. der künftigen Generationen.
Institutionalisierte Gewalt nimmt in unseren Ländern ungeahnte Ausmaße an: Zu den Banden von Drogenhändlern, Kriminellen und Maras gesellen sich korrupte Polizeikräfte, weiße Garden, paramilitärische Gruppen und Armeekräfte, die Terror und Mord in der Zivilbevölkerung provozieren, ohne mit Strafverfolgung rechnen zu müssen.

Gesellschaftlicher Protest wird kriminalisiert, gesellschaftliche Führungskräfte werden verfolgt, Frauen und Männer, die für Menschenrechte eintreten, werden gejagt und bedrängt. All diese Vorgänge reden von einem unterdrückerischen Staat, der zwar seine Redeweise geändert hat, aber nicht die Methoden, mit denen er das organisierte Volk unterdrückt.

Die Option von Bischof Romero

Bischof Romero wusste sehr genau um diese Gewalt. Als er zum Erzbischof von San Salvador ernannt wird, durchlebt das Land bereits eine Phase der Repression, in der die am stärksten engagierten Teile der Gesellschaft und der Kirche verfolgt werden. Romero selbst hat erlebt, dass Priester, Ordensschwestern, Katecheten, engagierte Laien entführt, gefoltert, ins Exil getrieben und ermordet wurden.

Wie wir alle wissen, hat dies den Prozess seiner persönlichen Bekehrung beschleunigt. Aber den stärksten Einfluss übte seine eindeutige Option für die Armen und für die Opfer aus, die zu ihm kamen, um ein Wort des Trostes bzw. ein Wort ganzheitlicher Befreiung zu erbitten. Dieses Wort nahm in seinen Predigten überzeugende Gestalt an. Er sagte die Wahrheit. Deshalb haben sie ihn umgebracht, wie sie Jesus umbrachten, weil er die Wahrheit sagte und weil er selbst – wie das Johannesevangelium sagt – die vom Vater geoffenbarte Wahrheit war.

Damit wir wirklich freie Männer und Frauen werden, muss diese Wahrheit in der konkreten Realität jedes Volkes und jeder Gemeinschaft immer wieder neu Gestalt annehmen. Für Bischof Romero wie für viele seiner Mitbrüder im Bischofsamt waren das Evangelium, die Dokumente des Kirchlichen Lehramtes im II. Vatikanischen Konzil, in Medellín und Puebla der Spiegel, in dem sie ihre eigenen pastoralen Projekte und ihre eigene Option „Mit der Kirche zu fühlen“ erkannten, mit jener Weltkirche, die die Kirche der Armen ist, die Kirche Jesu. Doch nicht durch Dokumente entsteht die Kirche. Kirche entsteht, wenn das
Evangelium und die Dokumente der Kirche Wurzeln schlagen, weil eine Gemeinschaft sie deutet, reflektiert und in der Praxis lebt.

Demütig anerkannte Bischof Romero seine Grenzen und die Bedingungen seines menschlichen Daseins. Sein geistliches Tagebuch spricht von seiner Furcht und seinen Ängsten, aber auch von seinem felsenfesten Glauben sowie von der Übereinstimmung zwischen Denken, Reden und alltäglichem Tun.

Diese Übereinstimmung verlieh ihm die moralische Autorität, vom Evangelium aus das Unrecht anzuklagen und einen wahrhaftigen Rechtsstaat zu fordern, der die Menschenwürde respektiert und das Recht ungehindert und unparteiisch anwendet.
Deshalb ist auch heute noch sein Wort so treffend. Deshalb wage ich es, aus einer seiner Predigten zu zitieren und mit seinen Worten unseren Regierungen im XXI. Jahrhundert zu sagen:

„Reformen nützen nichts, wenn sie von so viel Blut getränkt sind. Nutzlos sind Machtwechsel von Koalitionen und Parteien, nutzlos sind scheinbar demokratische Wahlen, wenn sie nur dazu dienen, das System des Todes am Leben zu erhalten. Regierungen, die aus der Opposition hervorgehen, nützen nichts, wenn sie nicht von Grund auf jene strukturelle Gewalt beseitigen, die wirtschaftlich bestimmende Mächte bzw. Regierungs- und Militärkräfte anwenden, um ihre Macht zu erhalten.“
Die Zeit ist gekommen, dass die organisierte Zivilgesellschaft das Recht einklagt, sich selbst zu regieren, das Recht, sich die Verwaltungen zu geben, die sie verdient, das Recht, ihre eigene Souveränität voll auszuüben, indem sie eine Rechtsprechung praktiziert, die nicht mehr zulässt, dass im Namen einer angeblichen Demokratie oder einer scheinbaren Freiheit so viele Verbrechen verübt werden können. Das Recht der Kinder, der Jugendlichen, der Frauen, in dieser machistischen Gesellschaft ernst genommen zu werden. Das Recht der Erde und der Natur, respektiert zu werden. Die Zukunft liegt in unserer Hand, Schwestern und Brüder, und nicht in den Händen korrupter Politiker oder zu Staatsstreichen bereiter Militärs.

So verstand Bischof Romero damals und in aller Deutlichkeit das „subversive Zeugnis der Seligpreisungen, die alles revolutioniert haben“. Er hatte begriffen, dass die Grundlagen der Gewalttätigkeit beseitigt werden müssen, nämlich die strukturelle Gewalt, die gesellschaftliche Ungerechtigkeit. Deshalb ist es die Pflicht der Kirche „jene Mechanismen zu erkennen, die Armut verursachen“. Die vorrangige Option für die Armen fordert die gesamte Kirche heraus, aber auch jeden einzelnen Menschen, der Christus nachfolgt. „Ein Christ, der die Solidarität mit den Armen nicht lebt, hat kein Recht, sich Christ zu nennen“, sagte er und fügte hinzu: „Deshalb haben die Armen wahrhaftig den Weg der Kirche bestimmt. Eine Kirche, die sich nicht mit den Armen verbündet, um von den Armen aus das Unrecht anzuklagen, das gegen sie verübt wird, ist nicht die wahre Kirche Jesu Christi.“ (Predigt vom 17. Febr. 1980, Bd. VIII. S. 233 u. S. 240)

Darin erkannte er seine eigene Aufgabe als Erzbischof: „Diese Anklage halte ich für eine Pflicht in meiner Eigenschaft als Hirte eines Volkes, das unter dem Unrecht leidet. Das wird mir vom Evangelium abverlangt, dafür bin ich bereit, Gerichtsverfahren und Haft auf mich zu nehmen.“ (Predigt vom 14. Mai 1978)

Abschied

Schwestern und Brüder.
Diese Eucharistiefeier, die Prozessionen, Wallfahrten und Solidaritätsmärsche, die nationalen und internationalen Zusammenkünfte, die ökumenische Gemeinsamkeit der Kirchen, die Kongresse, Festivals, die aktive Beteiligung von Kindern und Jugendlichen überall in El Salvador, die Veranstaltungen und Gedenkfeiern am heutigen Tag in vielen Ländern Europas, Amerikas und Schwarzafrikas, bei denen man sich des Lebens und des Werkes von Bischof Romero erinnert, - all diese Ereignisse sprechen von der Wirksamkeit und der Kraft seines Zeugnisses.

Seine Worte bewegen uns und provozieren uns dazu, uns mutig der Krise zu stellen, von der wir gesprochen haben. Sie machen uns sogar bereit, dem Tod die Stirn zu bieten, wie er es tat: „Ich muss ihnen sagen, dass ich als Christ den Tod nicht ohne Auferstehung begreife: Wenn sie mich töten, werde ich im Volk von El Salvador auferstehen.“

„Als Hirte bin ich durch göttlichen Auftrag dazu verpflichtet, mein Leben für jene hinzugeben, die ich liebe, — für alle Salvadorianer, sogar für jene, die mich umbringen wollen. Sollten sie ihre Drohungen wahr machen, bin ich bereits jetzt bereit, für die Befreiung und die Auferstehung von El Salvador Gott mein Leben anzubieten“.
„Das Martyrium ist ein Gnadengeschenk Gottes, das ich nicht verdiene. Aber wenn Gott mein Lebensopfer annimmt, dann soll mein Blut das Samenkorn für die Freiheit sein und das Zeichen dafür, dass Hoffnung zur Wirklichkeit wird.“

Gott hat Romero mit der Gnade des Martyriums belohnt und sein Lebensopfer so ernst genommen, dass er es dem Kreuz Jesu zur Seite stellte. Gott bleibt seinen Verheißungen treu: Er hat Romero bereits auferweckt in den Kämpfen und im Weg des Volkes von El Salvador, des Volkes von Lateinamerika und des solidarischen Volkes in allen Völkern der Erde.

Aus all diesen Gründen hat sein Leben zweifellos prophetische Bedeutung und sein Tod zweifellos den Charakter des Martyriums. Deshalb habe auch ich zusammen mit seinem Volk, zusammen mit all den Opfern und den Armen, denen er diente, keinen Zweifel daran, dass er ein Heiliger ist. Dies wird über kurz oder lang auch offiziell verkündet, und zwar nicht, - wie ich bereits sagte – weil es sein Verdienst wäre oder weil Menschen darauf hin gewirkt hätten, sondern weil der Heilige Geist selbst es bewirkt.

Durch Romero erkennen wir, dass in Lateinamerika eine neue Epoche begonnen hat, in der die Christen ihr Leben für die Gerechtigkeit hingeben, dadurch dass sie im Glauben sterben. Das war Romeros Wahrheit. Das ist die Wahrheit des Evangeliums, das ist die Wahrheit, die uns frei macht.

Gemeinsam mit Bischof Proaño, Bischof Gerardi, Bischof Sergio Mendez und Bischof Angelelli wird Bischof Romero, unser Heiliger Romero von Amerika, weiterhin die Anliegen der Armen, die Anliegen der Gerechtigkeit, die Anliegen des Gottesreiches von Würde und Recht für alle Männer und Frauen mit dem Licht der Hoffnung erfüllen.

Übersetzung aus dem Spanischen: Norbert Arntz


© imprimatur Juli 2010
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