Norbert Sommer
kreuz . dreck

Es waren schon arge sprachliche Entgleisungen, die jetzt zur Wahl als Unwort des Jahres 2009 führten: „Betriebsratsverseucht“ (so Abteilungsleiter einer Baumarkt-Kette) und „Flüchtlingsbekämpfung“ (so Angela Merkel)). Doch bei kreuz.net, dem nach unbewiesener Selbstdarstellung „europaweit größten katholischen Internet – Portal“ stößt man fast täglich auf ungeheuerliche Unworte. Von einer „nachkonziliaren Abbruchkirche“ ist da die Rede. „Die Kirche ist am Arsch“ hieß es am 14.12.2009. Wenige Tage vorher war als Reaktion auf die Diskussion um eine Lockerung der Zölibatsverpflichtung zu lesen: „In der Schweiz sind die höchsten kirchlichen Ämter von Mietlingen besetzt, welche die Kirche um jeden Preis im überlebten altliberalen Sumpf des letzten Jahrhunderts versenken wollen.“ Weil sie angeblich Befürworter der „Fristen-Endlösung“ unterstützen, schrieb kreuz.net von der „zu Satan abgefallenen österreichischen Amtskirche“. Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz wurden als „bischöfliche Kameradenschweine“ und als „umnachtete deutsche Bischöfe“ beschimpft. Eingeschossen hat man sich besonders auf den Vorsitzenden dieser Konferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Ständig wird er als „vom katholischen Glauben abgefallen“ tituliert, ja kreuz.net warf ihm vor, den „Straftatbestand des radikalen Glaubensabfalls“ zu erfüllen, weil er den Sühnetod Christi leugne. Regelmäßig hetzt man dort auch gegen den Wiener Kardinal Christoph Schönborn, u.a. weil er „gesellschaftlich und politisch völlig angepasst“ sei. Paul Zulehner wird angeprangert als „Wiener Pastoral – Intrigant“ und als „der altliberale pastorale Brunnenvergifter“. Selbst Papst Benedikt XVI. bleibt nicht verschont. Als er im November 2009 Teilnehmer einer Konferenz über Gehörlosen-Seelsorge empfing, hieß es „Päpstliche Beschäftigungs- Therapie?“ (Ironie der Geschichte: kürzlich polemisierte der Pius-Bischof Richard Williamson, die Gespräche seiner Gemeinschaft mit dem Vatikan seien ein „Dialog unter Gehörlosen“...) Als sich der Papst beim Neujahrsempfang 2010 für die beim Vatikan akkreditierten Diplomaten zum Klimawandel äußerte, wurde gefragt: „Sind das die Sorgen?“ Schon vorher waren kirchliche Stellungnahmen zu diesem brennenden Zukunfts – Thema als unangebracht angesichts des viel dringenderen Themas „Niedergang der Kirche“ hingestellt worden. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken wird als „kirchenfeindliches deutsches Laiengremium“ und die CDU als „dekadente deutsche Partei“ bzw. als „Homo- und Abtreibungspartei“ („Wer CDU wählt, ist blöd“) bezeichnet. Priester oder gar Bischöfe, die Zivilkleidung tragen, sind „Krawattenpriester“, die nicht den Mut haben, sich zu ihrem Beruf und Glauben zu bekennen. Und was ist mit kreuz.net? Diese selbst ernannten einzig wahren Katholiken haben nicht den Mut, ihre Identität preiszugeben. eine Verbindung zur Priesterbruderschaft Pius X. wird immer wieder dementiert. Und deren Generalobere, Bischof Bernard Fellay, erklärte Ende 2009 in einem Interview auf die Frage nach den Herausgebern von kreuz.net: „Wir machen es nicht, und ich weiß auch nicht, wer es macht.“ Allerdings lobte er, dass sich „Gewisse“ gerade im deutschen Sprachraum bemühten, eine traditionellere oder konservativere Linie zu verteidigen. Zu deren sprachlichen Entgleisungen und Exzessen kein Wort. Eine thematische Übereinstimmung lässt sich dennoch nicht leugnen, fühlen sich doch die Piusbruderschaft und diese Internet- Betreiber gleichermaßen als die einzigen Bewahrer des traditionellen und echten Glaubens, d.h. der einzig wahren Kirche. So werden anglikanische und protestantische Bischöfe nur als „Laien-Bischöfe“ und die Evangelische Kirche in Deutschland nur als „evangelische Gemeinschaft in Deutschland“ benannt. Ökumenismus wirft man dem Konzil vor und kritisiert den Papst für seine Äußerung, die Taufe sei ein einigendes Band mit der Unterstellung: „Protestanten und Katholiken verkünden nicht das gleiche Evangelium“ (25.1.2010). Regelmäßig kommt es zur Diffamierung der Juden als „verantwortlich für den Kreuzestod Christi“. Die weltweiten Proteste gegen die unglaublichen Äußerungen von Bischof Williamson zur systematischen Judenvernichtung werden seitdem als „Medien-Pogrom“ gegen den Pius Bischof hingestellt. Und ständig ist nur von Holocaust-Hysterie, Holocaust –Ideologie, ja Holocaust – Industrie die Rede. Ein Unwort heißt neuerdings „Unterhosen – Themen“. So las man am 24. November 2009: „Der neue Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken hat seine Amtsperiode mit einem Blick in die Unterhose begonnen.“ Gemeint sind damit u.a. Zölibat, Empfängnisverhütung, Abtreibung, aber auch Frauenpriestertum...! Abtreibung wird immer nur als „Kinderschlachtung“ in „Kindermetzgereien“ dargestellt. Barack Obama ist der „Kinderabtreiber“ und „Blut- und Homo-Präsident“. Homosexuelle sind für kreuz.net „Homo-Perverse“. „Offenes Geheimnis: Homos potentielle Kinderschänder“ wurde am 11. Januar behauptet, nachdem bereits am 2. Dezember 2009 aufgerufen worden war: „Homos und Kastraten – ab in die Hölle!“ Alles in der Publizistik, was nicht auf Linie dieses Internet-Portals liegt, wird automatisch als kirchenfeindlich oder als „Kirchenhass – Systemmedien“ eingestuft, einzelne Journalisten z.B. als „österreichischer Antikirchen – Schreiber“ oder als „Kirchenhass – Journalist, der für die antikatholische Berichterstattung angestellt“ ist, abgestempelt. Als bekannt wurde, dass die Schweizer Jesuitenzeitschrift „Orientierung“ eingestellt werden musste, verkündete kreuz.net: „Kirchenfeindliche Salon – Revolutionäre am Ende“. Und polemisierte gegen die Redakteure, sie hätten dafür gesorgt, dass die Zeitschrift nach dem Konzil „zu einer grauen Schulterklopf-Postille verhärteter Altliberaler und linkslastiger Konzilsideologen degenerierte“, wobei „eine besonders üble Rolle“ die Jesuiten Mario von Galli und Ludwig Kaufmann spielten. Fazit: Das alles ist nicht kreuz.net(t), sondern eine menschenverachtende Provokation, Polemik und Diffamierung, eben: kreuz.dreck. Angesichts dessen muss man sich fragen, ob Papst Benedikt XVI. nicht zu optimistisch oder unkritisch ist, wenn er in seiner Botschaft zum nächsten Mediensonntag der Kirche schreibt, die modernen Kommunikationsmittel eröffneten eine „neue Epoche der Glaubensverkündigung“ und böten „seelsorgerisch unbegrenzte Möglichkeiten“.


© imprimatur Juni 2010
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